Dave Lizotte schildert Simon´s Triumph in Konopiste
Auf dem Weg zur Bahn 17 hatte ich mich damit abgefunden, dass sich mein mittlerer Sohn mit der Bronzemedaille begnügen sollte – und das, nachdem er zwei Tage so grandios gespielt und geführt hatte. Doch wie kam es dazu in der dritten Runde?
Nachdem Simon gleich auf Bahn 2 einen Bogey verursachte, dem kurz danach ein weiterer folgte, hatte Paul McBeth auf sechs Bahnen bereits fünf Würfe aufgeholt. Und auch Karl Johann Nybo (von Insidern auch „KJ“ genannt) hatte aufgeschlossen, so dass sich der Fokus überraschend auf einen Zweikampf USA vs. Dänemark legte und mein Zweitgeborener irgendwie aus selbigem gerutscht war.
Ich war dabei fast ein wenig angetan, dass sich Simon darüber kaum ärgerte, sondern so professionell verhielt und allenfalls ein wenig Frust hier und da zeigte. Und das durfte er. Denn dabei muss man berücksichtigen, dass er auf den folgenden 10 Bahnen „acht unter“ spielte – Paul und KJ allerdings auch. Es änderte sich also nichts.
Da Simons Führung längst verloren gegangen war und wir uns Bahn 17 näherten, warf Avery Jenkins daher nachvollziehbarer Weise in seinem Facebook-Livestream die Frage auf, wer denn für USA-McBeth oder Europe-KJ sei. Für einen Moment dachte ich, dass es schade sei, dass Simon´s ersten beiden grandiosen Runden nicht mehr interessierten (ich kenne Avery gut genug, um ihn deswegen nicht ausschimpfen zu wollen), sondern sich alles auf den erwähnten Zweikampf konzentrierte, aber: That´s Disc Golf. Auch wenn ich extra wegen meines Sohnes 666 km nach Tschechien gereist war, musste ich das akzeptieren.
Vorletzte Bahn des Turniers: Paul und KJ werfen solide. Simon´s Bergauf-Drive hingegen fliegt 130 Meter und liegt gut 25 Meter vor den beiden anderen. Bis zum Korb sind es aber immer noch 45 Meter – und ich kann den Korb lediglich durch den riesigen davor stehenden Baum durchblitzen sehen. Simon nimmt seinen gelben Putter und wirft die instabile Scheibe hoch und weit nach links – ich finde zu weit.
Aber irgendwie typisch Simon, denke ich für den Bruchteil einer Sekunde, dann verschwindet die Scheibe hinter dem Baum und ich fokussiere den Korb. Bang! Eagle! Der gelbe Putter tanzt wie im Strip Club um die Stange, fast 500 Zuschauer flippen aus und Simon springt kurz in die Luft. Wenigstens hat der Junge noch seinen „Simon-Moment“ sinniere ich in mich hineinlächelnd und freue mich in diesem Moment einfach nur für ihn; schließlich waren die Weihnachtsgeschenke schon knapp ausgefallen. Paul und KJ spielen Birdie, so dass Simon vor der relativ einfachen 18 noch einen Wurf zurück liegt.
Aber, was konnte noch passieren? Ich meine, wir sprechen über McBeast, der schüchternen Nummer 1 der Welt. Der Spieler, der Disc Golf auf einen neuen professionellen Level gehoben hat. Und KJ, Everybody´s Darling, das Pendant zu Paul in Europa, nur weniger verschlossen, halt dänisch-sympathisch. Es werden wohl kaum beide einen Fehler auf der letzten Bahn machen.
Bahn 18: Simon hat nach seinem unglaublichen „Putt“ die Box und wirft fokussiert einen Hyzer Flip. Der Wurf sieht gut aus, ein bisschen zu weit rechts, trifft dann ein paar Zweige und wird auf den Fairway ausgespuckt, aber: 12 Meter kurz. Verdammt. Noch machbar? Ich versuche mein Hirn auf Mute zu schalten. Paul wirft konzentriert, doch der Wurf hyzert zu früh und landet im Gehölz. Ich bin fast geschockt. Und KJ? Er macht denselben Fehler. Beide legen dicht ran. Simon muss putten – am besten nur noch einmal.
Totenstille, ein unsteter, nicht zu unterschätzender Seitenwind und 1000 Augen auf Simon. Nein, nicht ganz. Ich stehe 15 Meter dahinter, halte mein Kinn mit der rechten Hand fest und dafür die Augen geschlossen. Ich kann meinem Sohn in diesem Moment einfach nicht mehr zuschauen.
Stille, Stille … fettes Kettengeklingel. Endlich. Die Zuschauer machen Lärm, wie ein startendes Flugzeug. Ich öffne die Augen und sehe einen zum Korb sprintenden Simon. Die Faust in die Luft gereckt, wie einst Boris Becker. Ich grinse breit und breiter; zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass mein Sohn gewinnen könnte.
War das Glück? Natürlich war da ein bisschen Glück auf der 17. Die Disc Golf Göttin (ich nenne sie: Simone) hatte Simon in diesem Moment einfach besonders gern. Aber nicht nur auf der 18, sondern insgesamt war es mehr als das, viel mehr. Das war mentale Stärke und eine hoch-professionelle Einstellung, nicht nur bei McBeth und KJ, bei allen dreien. Nun geht es doch noch weiter.
Wir gehen zum Sudden Death. Paul wirft als erster – ins OB. Fassungslose Gesichter bei allen, denn es gibt wenige, die diesen Spieler so gar nicht mögen. Vielleicht gibt es beliebtere Disc Golfer, aber ein so 110%iger Profi wird unseren Sport voranbringen. Mr. McBeth lebt und atmet Disc Golf und das ist respektabel.
KJ wirft als zweiter und bleibt kurz. Ist dies das überraschende Ende? Denn Simon parkt die Scheibe, aber Skandinaviens Best Of All Times Spieler zeigt Nervenstärke und versenkt seinen Monsterputt. Die Zuschauer sind klasse, haben keinen Favoriten und bejubeln ihn genauso, wie den an dieser Bahn glücklosen und sich verabschiedenden Paul.
Das verbliebene Duo begibt sich wieder auf Bahn 17, Sudden Death Teil 2. Plötzlich drehen sich beide um und gehen stattdessen zu Paul, der seine Scheiben einpackt. Die drei reden einige kurze Augenblicke miteinander. Was für eine bewegende Szene. Mitten in der Hitze der Schlacht finden es KJ und Simon wichtiger, noch ein paar Worte mit dem enttäuschten Paul zu wechseln. Fair Play mit Sternchen. Nicht nur ich bin beeindruckt von dieser Szene.
KJ wirft solide. Noch sieben, acht Meter bis zum Korb. Simon kontert mit einem Killer-Drive und parkt die Scheibe erneut. He´s on fire, denke ich, aber, Dänemarks Fels im Disc Golf Meer wird sich die Chance auf eine dritte Sudden Death Bahn nicht nehmen lassen.
Er fokussiert und muss abbrechen, da Avery´s Co-Kommentatorin in dessen Sichtlinie steht. KJ konzentriert sich aufs Neue, puttet – und verputtet! Verblüfftes Schweigen, dann lautstarkes Jubeln, als KJ beendet, um Simon den letzten Putt zu überlassen. Simon muss jetzt nur noch seinen Job erledigen und ein weiteres Mal feiern ihn die Zuschauer lautstark.
Konopiste Open 2016 – Champion Simon Lizotte. Wow. Vaterstolz …
Es war ein tolles Turnier. Ich habe den besten Profis zuschauen dürfen, die fantastisches Disc Golf gespielt haben, manchmal fast maschinengleich, aber am Ende waren sie doch nur menschlich. Der beste Spieler hat gewonnen. Vielleicht hat ihn Simone ein kleines bisschen belohnt, für seinen Biss, niemals aufzugeben und seine Energie, stets alles zu geben – bis zum Schluss, und wenn es sein muss auch noch darüber hinaus.
Meine Aufgabe? Ich habe Simon´s Tasche getragen, ihm die Wasserflasche aufgefüllt und richtig: an Bahn 3 gesagt, er soll lieber einen Safety Shot machen, statt durchs Unterholz zu werfen. Das wars dann mit den väterlichen Ratschlägen, mehr Hilfe brauchte mein Junge nicht mehr, der uns mit langen Locken und 13 Jahren schon gezeigt hat, wo die Reise hingehen wird und uns diesmal einfach nur eine tolle Show bot. Danke dafür, Sohn.