Ab heute kämpfen in Tallinn die EDGF-Discgolfer*innen in der Offenen Klasse, im Wettbewerb der Frauen sowie der weiblichen und männlichen U 18 um die europäischen Titel 2023. Das deutsche DGA-Team hat als Teamchef Frank Hellstern an der Seite. Im Gespräch erläutert er unter anderem die Erwartungen des Verbandes an die Leistung und das Abschneiden der DGA-Spieler*innen, gibt seine Einschätzung zum OB-lastigen Kurs in Tallinn ab und blickt auf den Entwicklungsstand des deutschen Discgolf im europäischen Vergleich. Mit Frank Hellstern sprach Werner Szybalski.
Frage: Hallo Frank, schon in Tallinn eingelebt? Sind alle deutschen Spieler*innen da?
Frank Hellstern: Ja, unsere sieben Spieler*innen sind da. Ich selbst bin am Sonntag gekommen. Es war der erste Tag an dem der Kurs von den Veranstalter*innen gebaut werden konnte.
Frage: Wie waren die Trainingsrunden auf dem Parcours am Sängerfestival-Gelände in Tallinn?
Frank Hellstern: Da der Parcours erst Anfang der Woche stand, waren zum Beispiel noch nicht alle OB-Linien gezogen, als die Trainingsrunden begannen. Jede Spielerin und jeder Spieler dürfen nur zwei Mal zum Training auf den Kurs.
Da es ein temporärer Kurs ist, der nur für die Europameisterschaft entstanden ist, erwarte ich einen sehr fairen Wettkampf. Niemand konnte vorher auf dem Gelände trainieren – so gibt es nicht Mal für die Est*innen einen Heimvorteil.
Ich habe den Eindruck, die Spieler*innen – damit meine ich nicht nur die deutschen sondern alle Discgolfer*innen auf dem Parcours – sind wegen der geringen Trainingsmöglichkeiten auf dem Kurs sehr konzentriert. Auf 36 Bahnen muss ich als EM-Teilnehmer*in im Training alles sammeln, was ich ab dem ersten Wurf nach dem Turnierstart heute morgen um 7 Uhr (6 Uhr in Deutschland) brauchen werde.
Das Wetter war übrigens an den Trainingstagen gut und soll auch so bleiben, was für alle Spieler*innen vorteilhaft ist.
Frage: Das deutsche Team erscheint mir als eine gesunde Mischung aus „alten Hasen“ und hunrigen Erstteilnehmer*innen. Wie siehst Du das Team als Ganzes?
Frank Hellstern: Na ja, durch die kurzfristigen Ausfälle von Dominik Stampfer und Kevin Konsorr (beide laborieren an Verletzungen) schrumpft die Anzahl der „alten Hasen“ praktisch auf Michael Stelzer, auf seinem Heimkurs in Söhnstetten 2007 Vizeeuropameister. Allerdings bringt auch Timo Hartmann schon extrem viel internationale Turniererfahrung mit. Grundsätzlich gilt dies natürlich auch für Maren Mossig. Timo hat für mich, angesichts seines tollen Ratings, durchaus Außerseiterchancen!
Für die Erstteilnehmer*innen steht aus meiner Sicht das Erleben eines solch außergewöhnlichen Events in unserem Sport im Mittelpunkt. Dies gilt insbesondere für die deutschen Junior*innen Finja Feldhoff, Martje Sumowski und Lennard Staszyk hier in Tallinn.
Frage: Was erwartet die DGA von den deutschen Teilnehmer*innen hier in Estland?
Frank Hellstern: Eigentlich erwartet die DGA nur, dass alle deutschen Discgolfer*innen hier in Estland ihr gewohntes oder normales Spiel machen. Naturgemäß ist deshalb die Erwartung jeder und jedes Einzelnen anders. Unsere Spieler*innen sollten zufrieden sein, wenn sie gezeigt haben, was sie können. Schön wäre es natürlich, wenn jemand besser als erwartet abschneidet. Dies wäre nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein Erfolg für die DGA.
Frage: Vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft in Konopiště kamen vier deutsche Männer unter die besten 31. Ex-PDGA-Europameister Simon Lizotte (Drehmoment Bremen) wurde Siebter. Marvin Tetzel belegte Rang 22 und Christian Plaue und Jerome Braun kamen auf die Plätze 30 und 31. Was erwartest Du hier von den sieben Vertreter*innen der DGA?
Frank Hellstern: Simon kommt in diesem Jahr wohl überhaupt nicht nach Europa und ist deswegen auch nicht hier. Deshalb haben wir auch keinen Titelfavoriten dabei. Ob ein Treppchen in Reichweite liegen könnte, werden die ersten Runden zeigen. Hoffentlich sind am Samstag noch viele von uns dabei.
Frage: Bei den Frauen verpasste Antonia Faber in Konopiště als Elfte die Preisränge denkbar knapp. Wiebke Jahn wurde 18 und Maren Mossig belegte Rang 21. Wie wird es den deutschen Frauen in Tallinn ergehen?
Frank Hellstern: Auch da hängt es von der Konkurrenz ab. Immerhin ist hier auch eine Weltmeisterin am Start. Von uns aus der DGA gibt es keinen Druck auf unsere Spielerinnen. Schauen wir doch einfach erst mal, wie Jessica Cowley und Maren Mossig ins Turnier starten.
Frage: Und beim Nachwuchs?
Frank Hellstern: Da gibt es noch weniger als überhaupt keinen Druck Seitens der DGA. Allerdings ist Martje Sumowski auf Platz drei des Ratings der Teilnehmerinnen. Vielleicht ist da etwas möglich.
Frage: Die 18 Bahnen hier in Tallinn verlangen aus meiner Sicht ein sehr präzises Spiel und weniger dicke Arme. Liegt er unseren Teilnehmer*innen? Was hältst Du persönlich von dem von Sepu Palu entworfenen Parcours?
Frank Hellstern: Ja, es gibt sehr viele OBs und auch viele Bäume. Auf dem Kurs kann man auch viel Pech haben. Jede Spielerin und jeder Spieler muss immer angepasst an die Spiel- und Turniersituation individuell entscheiden, wo gehe ich drauf beziehungsweise wo lege ich besser nur ab. Einige Bahnen sind optisch verführerisch und sehen leichter aus, als sie sind. Auf jeden Fall sind bei dieser EM die OBs mitentscheidend. Der Kurs ist vom Design und Schwierigkeitsgrad und auch vom professionellen Umfeld her auf jeden Fall einer Europameisterschaft würdig.
Frage: Zum Abschluss eine Frage, die ich Dir nach dem Turnier nochmals stellen werde: Wie ist der Entwicklungsstand des deutschen Discgolf im europäischen Vergleich?
Frank Hellstern: Wir sind natürlich noch weit von der europäischen Spitze entfernt, können aber im Vergleich mit den mit uns konkurrierenden Verbänden durchaus zufrieden sein. In Finnland gibt es zwei Discgolfvereine, die beide über 100 Jugendliche in ihren Reihen haben. Da kommt aus Breite natürlich auch Spitze. Daran arbeiten wir, aber unser gemeinsamer Weg ist noch lang.