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Flight-Zusammenstellung: Lücke im Regelwerk sorgt für Verwirrung

10.6.2011 | Ewald Tkocz. Wer wissen möchte, ob er auf dem Kurs rauchen, Bier trinken oder T-Shirts tragen, ob er auf die Runde seinen Hund, die Freundin als Caddie oder doch lieber den MP3-Player mitnehmen darf, der findet im neuen Turnierhandbuch der Professional Disc Golf Association (PDGA) präzise Antworten. Wer aber im neuen „Knigge für Disc Golfer“ nach Hinweisen fahndet, wie die Flights nach der ersten Runde zusammengestellt werden sollen, sucht vergebens.

„Da ist eine Lücke im Regelwerk“, stellte Frank Neitzel, der den Text zusammen mit Bernd Wender und Claus-Peter Hetzner vom amerikanischen Original ins Deutsche übersetzte, kürzlich erstaunt fest. Das Regelwerk, das sich beispielsweise in Punkt 3.4. ausführlich mit dem „Dress Code“ (Kleidungsrichtlinien) befasst, mit Hemdkrägen und Halsausschnitten von T-Shirts, schweigt sich in dieser wichtigen Frage aus. Ob absichtlich oder unabsichtlich, darüber rätseln derzeit die Experten und erhoffen sich bald Aufklärung von der Regelkommission der PDGA.

Bis auf weiteres gilt: Anything goes

Diese Lücke eröffnet Turnierdirektoren in Deutschland bis zu einer klärenden Antwort aus Amerika ungeahnte Freiheiten. Denn bis auf weiteres gilt das Prinzip: anything goes. Alles geht. Findige TDs könnten zum Beispiel, für wohltätige Zwecke, vor der zweiten Runde die Flights mit den attraktivsten Spielern versteigern. „100 Euro sind geboten für einen Platz an Simons Seite! Zum ersten, zum zweiten, und zum dritten!“ Oder sie könnten die Spieler ihre Flight-Partner aus einem Lostopf ziehen lassen, was den unbestreitbaren Vorteil hätte, dass die Turnierdirektoren für die Zusammenstellung der Gruppen den „Schwarzen Peter“ abgeben könnten. Die öffentliche Verlosung wäre sicher ebenso unterhaltsam wie eine Auktion.

Sogar das von Oliver Schacht – dem einsamen Rufer in der Wüste des Disc Golf-Mainstreams – seit vielen Jahren propagierte Modell, in sämtlichen Spielrunden die Stars, Sternchen und Anfänger munter durcheinander zu mischen, um zum Beispiel den Kontakt und Transfer von „know how“ zwischen den Spielern zu fördern, wäre bedenkenlos anzuwenden, ohne bei den Regeln der PDGA anzuecken.

Gewohnheitsrecht greift gegen „gesetzlosen“ Zustand

Doch wer sich jetzt schon in Vorfreude auf anarchische Zustände bei deutschen Turnieren die Hände reibt, wird vermutlich enttäuscht werden. In diesem gesetzlosen, regelfreien Zustand greift für Frank Neitzel das Gewohnheitsrecht: „Ab der zweiten Runde sollte es schon nach den Scores gehen“, sagt die lebende Enzyklopädie des Deutschen Disc Golf und fügt an: „Wenn man als TD die Einteilung nicht nach Scores vornimmt und auch kein Prinzip zu erkennen ist, wonach dies geschieht, setzt man sich dem Verdacht aus, die Flights willkürlich zusammenzustellen und bestimmte Spieler zu bevorzugen. Das schafft nur Probleme.“

Ofterschwang, Berlin, Söhnstetten – drei Varianten

Aha, die Flights nach den Ergebnissen einteilen. Doch wer zuletzt in Ofterschwang gespielt hat und an den Turnieren in Berlin und Söhnstetten teilnimmt, erlebt bereits drei Varianten dieses Prinzips. Im Allgäu wurden die Gruppen in der zweiten und dritten Runde nach dem Gesamtergebnis sortiert, divisionsübergreifend.

Das Gesamtergebnis wird auch in Berlin zugrunde gelegt, wenn die Flights für die zweite Runde zusammengestellt werden. So trifft man am Samstag Nachmittag noch einmal mit Spielern aus verschiedenen Divisionen zusammen, die in der ersten Runde gleiche oder ähnliche Ergebnisse erzielt haben. Ab der dritten Runde wird dann in den Divisionen, den Scores entsprechend, gespielt.

Dies wird beim A-Turnier in Söhnstetten bereits ab der zweiten Runde geschehen, was bedeutet, dass zumindest die Top-Flights der kleinen Divisionen (Damen, Junioren, Grandmaster und vermutlich auf Master)
1 ½ Tage und 45 Bahnen (Finale inclusive) in derselben Besetzung spielen. Mit dieser Regelung wird der Konkurrenzkampf innerhalb der Divisionen schon von der zweiten Runde an forciert. Da heißt es dann: Dauerlutscher bereit halten als Seelentröster gegen eine drohende „Flight-Klaustrophobie“.

Zen – oder die Kunst, gute Flights zusammenzustellen

Es gibt Flights, die man nie vergisst. Gruppen, bei denen sich die Spieler gegenseitig unterstützt und zu Bestleistungen angetrieben haben. Und Flights, die man am liebsten von der Festplatte des Oberstübchens löschen würde. Wenn man nur könnte.

Und so zählt jener Augenblick vor dem Beginn eines Turniers, in dem die Flights für die erste Runde ausgehängt werden, zu den interessantesten. Breites Grinsen, Freudenschreie, begeistertes Abklatschen, Stirnrunzeln, Plafond-Blicke, Stoßgebete: die Palette an Emotionen, die das Studium der Startliste begleiten, ist breit gefächert.

Für die Turnierdirektoren ist es eine stets reizvolle, aber auch heikle Aufgabe, die Flights so zusammenzustellen, dass die Spieler zufrieden sind und sich niemand benachteiligt fühlt. Das neue Turnierhandbuch der PDGA schlägt den TDs in Punkt 1.6. (Gruppeneinteilung und Aufteilung des Feldes) zwei Möglichkeiten vor, das Feld vor der ersten Runde auf- und in Gruppen einzuteilen: die Spieler nach dem Zufallsprinzip oder gemäß ihrem Player Rating in Gruppen zusammenzustellen.

Doch in Deutschland macht sich verständlicherweise niemand die Mühe, vor der ersten Runde die Spieler, ihrem Rating entsprechend, in die Flights und auf die entsprechenden Bahnen einzuteilen (Der Spieler mit dem höchsten Rating startet an Bahn eins usw.). Und auch das Auslosen der Gruppen sorgt nicht immer für zufriedenstellende Ergebnisse. Frank Neitzel: „Wir haben schon erlebt, dass vier gute Open-Spieler in einen Flight gelost wurden.“

Für die Helfer in Berlin ein Spitzenspieler nach Wahl

Und so wird die Gruppeneinteilung vor dem Turnier in Berlin zu einem komplexen Puzzle, das von TD Skander Morgenthaler und Frank Neitzel viel Fingerspitzengefühl erfordert. Die zahlreichen Spieler aus Dänemark, die „locals“ und die Frauen werden zum Beispiel auf die 18 Flights aufgeteilt. Und natürlich werden die „Flightmaker“ verhindern, dass gleich mehrere Spieler in einer Gruppe landen, die für ihr eher gemächliches Spieltempo bekannt sind.

Für die Helfer beim Aufbau gibt es in diesem Jahr noch ein zusätzliches Bonbon: Frank Neitzel: „Wer fleißig mithilft, darf sich in der ersten Runde für seinen Flight einen guten Spieler aussuchen.“

Olaf Schuberts Rat: „Macht was draus!“

Nun dürfte sich herumgesprochen haben, dass ich nicht der „Du-hast-mit-deiner-Schuhspitze-den-Marker-berührt!“-Fraktion angehöre. Das Interessante ist ja nicht, warum die „Regulierungsbehörde“ der PDGA diesen „gesetzlosen“ Zustand zugelassen hat, sondern wie die TDs der noch ausstehenden 20 GermanTour-Turniere auf diesen Gestaltungsfreiraum reagieren. Mit der Macht der Gewohnheit, dem viel zitierten „So macht man’s halt!“, oder dem Mut, neue Ideen zu kreieren und umzusetzen. Spannend wäre auch zu erfahren, welche Möglichkeiten, die Flights zusammenzustellen, die Spieler bevorzugen und für sinnvoll erachten. Das wäre in jedem Fall ein Thema für eine angeregte Diskussion im Players Meeting. Olaf Schubert, freischaffender Betroffenheitslyriker aus Dresden, würde uns zurufen: „Macht was draus!“

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