4.4.2013 | Ewald Tkocz. East meets West. Der Norden trifft den Süden. Das Stelldichein der besten Spieler des Landes zeichnet Dassel, das Mekka des deutschen Discgolf-Sports, schon seit mehr als einem Jahrzehnt aus. Aber dass Weihnachten und Ostern – meteorologisch, nicht theologisch betrachtet – diesmal zusammen fielen, war neu bei der 11. Auflage dieses Turnierklassikers. Damit bewahrheitete sich die alte Bauernregel: „Weihnachten im Klee, Ostern im Schnee.“
Die „Snow Open“: Ein Festival der Favoriten
Aus sportlicher Sicht waren die „Snow Open“ (Leo Seibel) dagegen ausgesprochen konservativ. Es war ein Festival der amtierenden Deutschen Meisterinnen und Meister sowie der GermanTour-Sieger. Mit zum Teil sattem Vorsprung triumphierten bei den Damen Susann Fischer (Potsdam), Simon Lizotte (Bremen) in der Open-Kategorie, Klaus Kattwinkel (Engelskirchen) bei den Masters, Wolfgang Kraus (Trebur) bei den Grandmastern sowie „Lokalmatador“ William Erdmann (Senior Grandmaster) und Wilhelm Heumann (Legends). Leuchtend hell strahlte der aufgehende Stern von Junior Marvin Tetzel (Wolfenbüttel), der mit 212 Würfen in der Open-Kategorie Fünfter geworden wäre.
Schwerer Stand im Winter-Wunderland
„So ein Wetter habe ich um diese Zeit hier noch nie erlebt. Das war das stressigste Turnier aller Zeiten.“ Leo Seibel aus dem Organisations-Team war noch einen Tag nach dem Turnier bedient. Zumal sich am Ostermontag blauer Himmel über dem Solling wölbte und die Sonne bei Höchsttemperaturen von sieben Grad die Schneedecke auf dem gelben Kurs schon halb zusammenschmelzen ließ.
An beiden Turnier-Tagen herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt. Immer wieder jagte der böige Nord- und Nordostwind kräftige und zum Teil anhaltende Schnee- und Graupelschauer über den Parcours. Bei einer Schneehöhe von zehn Zentimetern und mehr war es vor allem auf dem offenen gelben Kurs schwer, an den Hängen Halt beim Abwurf zu finden. Obwohl die Veranstalter schon seit Dienstag die Abwürfe nahe dem Haus täglich von Schnee und Eis befreiten und die Abwurfmatten im Tal erst am Freitag ausrollten, war der Kampf gegen die Elemente häufig vergebens. Der Schnee fror vor allem am Sonntag auf den Kunstfaser-Matten fest und machte manchen Abwurf zur Rutschpartie. Leo Seibel: „Es war ein Kampf gegen Windmühlen.“
Kein Wunder, dass nicht nur die Spieler, sondern auch der Zeitplan ins Rutschen geriet. Doch die Dasseler meisterten die schwierigen Umstände bravourös. Folgerichtig wurde das Open-Finale am Sonntag gestrichen. Und dass jene Spieler, die am Samstagvormittag vier Stunden für die erste Runde benötigt hatten, kein Essen mehr vorfanden, musste der Koch des CVJM-Heims auf seine weiße Mütze nehmen.
Doch wenn der Wind einschlief und dicke, große Schneeflocken wie in Zeitlupe vom Himmel herab schwebten, fühlten sich die 121 Spieler wie in einem Winter-Wunderland. Andächtige, naturreligiöse, meditative Empfindungen am bedeutendsten Festtag der Christen eingeschlossen. Elmar Stampfer sprach den Teilnehmern aus der Seele, als er sagte: „Das ist doch viel besser als Regen und matschiger Boden.“
In der Tat. Keiner, der da war, hat sein Kommen bereut. Es gab nur drei Spieler, die die Segel streichen mussten. Und einer von ihnen verletzte sich bei einer nächtlichen Schlittenfahrt. Nun ja, drei Männer auf e i n e m Schlitten…
Sportlicher Ausblick auf die GermanTour
Open:
Da sich seine Amerika-Pläne zerschlagen haben, mischt Simon Lizotte nun eben die heimische Tour auf. Über die Klasse und das Können des Europameisters ist schon genug fabuliert worden. Nach drei blitzsauberen 46-er Runden auf den 16 Bahnen des offenen gelben (Par 56) und blauen Wald-Kurses (Par 53), konnte sich der Bremer eine entspannte Schlussrunde (55) gönnen. Es war nach den C-Turnieren in Telgte und Münster sowie dem B-Turnier in Oberkirch bereits sein vierter Saisonsieg. Und sofern ihn noch jemand bei zwei B- und einem C-Turnier anmeldet, besteht kaum ein Zweifel, dass er in diesem Jahr seinen vierten Tour-Sieg nach 2008-2010 einfahren wird. Beim A-Turnier in Kellenhusen steht er ja schon auf der Startliste…
Auf den Plätzen die „üblichen Verdächtigen“, Lizottes Nachfolger als GT-Sieger 2011 und 2012, Christian Plaue (Grebenstein) und Dominik Stampfer. Wurfgleich. Und beide zur Zeit gleich stark. Der 19-jährige Heidenheimer war, wie so oft, mit Runden von 49 (blau) und 48 (gelb) bester Spieler des zweiten Tages. Ein ganz starkes Turnier spielte auch Linkshänder Victor Braun aus Berlin (4.).
Auch Junioren-Europameister Sven Rippel (Bergkamen), der mitten in Abitur-Vorbereitungen steckt, dürfte mit Platz fünf, den er sich mit Tobias Behrens teilte, zufrieden gewesen sein. Michael Stelzer (7.), der drei Runden lang (52/48/50) einen Podestplatz fest im Blick gehabt hatte, schmierte in der Schlussrunde mit einer 65 (neun über Par) ab. Vielleicht hätte er am Abend zuvor auf den Wettkampf mit Josef Rippel im Armdrücken verzichten sollen. Josef bekam jedenfalls nach eigenen Aussagen am nächsten Tag seinen Wurfarm kaum noch hoch…
Masters:
Er ist ein Phänomen. Und nach seinem zweiten überlegenen Sieg bei einem Zweitages-Turnier binnen einer Woche, dürften die Siegquoten für die erfolgreiche Titelverteidigung von Klaus Kattwinkel in der GermanTour in den Keller gefallen sein. Bot Claus-Peter Hetzner (2.) „Mister GermanTour“ am ersten Tag noch Paroli, steigerte sich Kattwinkel am zweiten Tag noch einmal um vier Würfe und gewann mit zwölf Würfen Vorsprung. Prominente Partner im Top-Flight: George Braun (3./Berlin) und der zweimalige Ex-Weltmeister Hartmut Wahrmann (4./Lünen).
Grandmaster:
Ähnliche Situation bei den Ü 50: Vierter Saisonsieg für Wolfgang Kraus (Trebur), für den in dieser Saison die Verbesserung seines Ratings eine größere Bedeutung haben dürfte als die Titelverteidigung in der GT. Dahinter trennten Ewald Tkocz (2.), Andreas Wegener (3.), Elmar Stampfer (4.) und Ralf Winkelmann (4.) nur zwei Würfe. Die Division gewinnt durch „Frischlinge“ wie Michael Janske-Drost, Ralf Winkelmann, Dirk Poehlke (6.) oder Peter Müller (7.) , um nur einige Beispiele zu nennen, wesentlich an Qualität.
Senior Grandmasters/Legends:
Er kann’s noch. Vor allem im Wald. Mit Runden von 64 und 68 Würfen: „Lokalmatador“ William Erdmann. Deshalb heimste der Senior Grandmaster ebenso 200 Punkte ein wie der Senior im Starterfeld, Wilhelm Heumann, der nach der verletzungsbedingten Aufgabe von William Kelton, bei den Legends gewann. Einfach bewundernswert, dieser „eiserne“ Wilhelm.
Junioren:
Bei der „Fohlen-Schau“ des deutschen Disc Golf-Nachwuchses spielte sich Marvin Tetzel (Wolfenbüttel) mit seinem dritten Saisonsieg in den Vordergrund. In seiner Sonntags-Runde auf dem gelben Kurs zeigte er mit 49 Würfen (sieben unter Par) eine absolute Top-Leistung. Nur Dominik Stampfer war hier einen Wurf besser. Mit 212 Würfen hätte Tetzel in der Open-Kategorie Platz fünf belegt! Ebenfalls sensationell: „Newcomer“ Carl Rose aus Potsdam, der sich kontinuierlich steigerte, und Melwin Korth (Lünen) und den am zweiten Tag nachlassenden Torben Casser auf die Plätze verwies. Positives Fazit: In dieser Division sind einige Talente auf einem guten Weg, die Lücke, die die Lünener Top-Junioren Sven Rippel und Kevin Konsorr mit ihrem Wechsel in die Open-Kategorie hinterlassen haben, zu füllen.
Damen:
Gottseidank sind die Deutsche Meisterin Susann Fischer (Potsdam) und die GermanTour-Siegerin Christine Hellstern (Oberkirch) dabei, die durch die neue Punktewertung bis ins Groteske verzerrte GT-Gesamtwertung wieder zurechtzurücken. Auf zwei tollen Wald-Runden (59/58) legte die ehemalige Ultimate-Spitzenspielerin und Filigran-Technikerin Susann Fischer die Grundlage für ihren überlegenen Sieg. Christine Hellstern egalisierte in der Schlussrunde noch den Rückstand von fünf Würfen auf „Lokalmatadorin“ Maya Erdmann, die sich trotz ihrer chronischen Rückenprobleme mit ihrer Konstanz wie im Vorjahr Platz verdient zwei sicherte.
Asse durch Nico Wustmann und Maximilian Tkocz
Drei Jahre lang gab es in Dassel kein Ass zu bejubeln. An diesem Wochenende brachen gleich zwei Spieler den Bann: Zum einen Nico Wustmann mit einem „Albatros-Skip-Ass“ an Bahn drei (Par vier) des gelben Kurses, bei dem die Scheibe unter dem zu durchspielenden Netz auf skippte und anschließend in dem noch mehr als 50 Meter entfernten Korb einschlug. Und zum anderen Maximilian Tkocz, der den Ace-Pool an Bahn 12 des Wald-Kurses knackte. Trockener Kommentar des 15-jährigen: „Da ist eine klare Schneise.“
11. Haus Solling forever: Wir waren dabei
Dieses Turnier – und dies ist kein falsches Pathos – wird jeder der 121 Spieler in Erinnerung behalten. Für den Rest seines Lebens. Es war absolut einzigartig. Unwiederholbar. Durch seine schwierigen, herausfordernden, zum Teil traumhaft schönen Bedingungen. Dieses Turnier gemeistert zu haben – als Veranstalter und Spieler – adelt die Teilnehmer. Künftige Unterhaltungen zwischen Disc Golfern könnten sich demgemäß so abspielen: „Solling2013?“ „Mhm, ich war dabei.“
Foto: Werner Sybalski