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Ein tolles Team holt Bronze im Nationencup

22.8.2012 | Ewald Tkocz. Eigentlich war alles ein kleines Mißverständnis; denn ich hatte für mich und Maximilian, nicht aber, wie mit ihr abgesprochen, für meine Frau Essen bestellt. Der Turnierdirektor hielt drei Bons für das Barbecue am Freitagabend in der Hand. „Und dein Sohn?“ Charlie Mead sah mich fragend an. „Wir sind zwar zu dritt“, antwortete ich ihm, „aber ich habe nur für zwei Essen bezahlt.“ Er wiederholte seine Frage: „Und dein Sohn?“ Offenbar glaubte er, Johanna und ich wollten ihm eine eigene Portion vorenthalten. „Er ist sehr interessiert, freundlich und offen. Er hat hier einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen“, sagte Charlie. Dann drückte er mir die drei Bons in die Hand. Ich war verlegen. Und stammelte noch etwas wie: „Wir seien auch sehr stolz auf ihn.“

Ein Team, das alle Wunschvorstellungen übertrifft

Dies ist einer von 15 Punkten auf meiner Mindmap, die die deutsche EM-Mannschaft betreffen. Der Punkt, für den die kleine Episode mit Charlie Mead steht, heißt: Auftreten und Außenwirkung des Teams. Und ist nur ein Beispiel von vielen. „Unser Auftreten als Team hat meine Wunschvorstellung noch deutlich übertroffen“, sagte Teamkapitän Christian Plaue nach dem Turnier. Und die Disc Golf-Globetrotter Frank und Christine Hellstern ergänzten:

„Wir fanden die Stimmung in ‚unserem‘ Team wirklich wunderbar. Alle waren offen, freundlich, interessiert, mitfühlend, ermunternd, unterstützend, aufbauend … eben so, wie man es von so einer Truppe nur im besten Fall erwarten konnte. Selbst die ‚Nichtspieler‘ und ‚Nichtspielerinnen‘ waren die ganze Zeit mit dem Herzen dabei und haben uns unterstützt, wo sie nur konnten.“

Soviel zu den Punkten zwei und drei der Mindmap: Binnenwirkung des Teams und Unterstützung von „Außenstehenden“. Als Simon Lizotte zu Beginn der Finalrunde „wackelte“ – PDGA-Direktor Bill Graham beschrieb diesen Zustand später als „shakyness“ – trabten die Betreuer aus Münster los, um eiligst Getränke, Müsli- und Schokoriegel herbei zu schaffen, damit der strauchelnde Titelanwärter wieder in die „Puschen“ kam. Der kernige Braunschweiger Jan Janke, den man bedenkenlos in die erste Schlachtreihe stellen könnte, trug Simons Tasche und wirkte durch seine bloße Präsenz beruhigend auf den 19-jährigen ein. Der fing sich rechtzeitig wieder und wusste, bei wem er sich bei der Siegerehrung zu bedanken hatte. Zu diesem Team an Unterstützern gehörte im übrigen auch der Schweizer Martin Jenny, der den liebevoll als „Bengel“ bezeichneten Bremer die ganze Woche über begleitete und dessen Anteil am EM-Titel man nicht hoch genug einschätzen kann.

Frank Hellstern: „Wir haben als Team prima abgeschnitten“

Damit wären wir – Punkt vier – beim beim sportlichen Abschneiden der DFV-Truppe angekommen, die mit den Europameistern Simon Lizotte und Sven Rippel zwei strahlende Helden in ihren Reihen hatte. Was allerdings ein wenig unterging: Dieses „nette, rücksichtsvolle, wunderbare Team“ (Christian Plaue) gewann im erstmals bei einer EM ausgetragenen Nationencup die Bronzemedaille hinter den mit doppelter Mannschaftsstärke angetretenen Schweden und Finnen. Mit 126 Punkten, zu denen nicht weniger als zehn deutsche Spieler beigetragen hatten. Und am Sonntag trieben Wolfgang Kraus und Jan Janke beim abschließenden Doubles-Wettbewerb mit einer fantastischen 59er-Runde (sieben unter Par/Platz fünf) ihre finnischen Partner Arttu Sikanen und Tapani Aulu zum Sieg.

Kommentar Frank Hellstern: „Wir haben als Team prima abgeschnitten und eine Marke gesetzt, die erst mal übertroffen werden muß.“ Ganz nebenbei: allein die vier Junioren trugen nicht weniger als 55 Punkte zum Nationencup-Ergebnis bei. Südhesse Michael Hamann, der eines seiner begehrten Deutschland-Trikots mit einem Norweger getauscht hatte, bemerkte süffisant: „Die dürfen jetzt zu uns als Drittplatzierte herauf schauen.“

Damit hier kein falscher Zungenschlag entsteht: Wir haben uns auch für andere gefreut. Zum Beispiel für den Schweizer Stephan Müller, Europameister bei den Masters, als der, nervlich völlig fertig, nach seinem erfolgreichen Stechen über zwei Bahnen mit dem Schweden Peter Bygde kurz in unserer Siegestraube „badete“.

Plaue: Das abendliche Beisammensein war extrem unterhaltsam

Bliebe noch der Punkt Nachtleben. „Unser Team, mit allen gemeinsamen Aktivitäten, war toll“, schilderte Wolfgang Kraus und der Teamkapitän, bei dem – fast – alle Fäden zusammenliefen, ergänzte: „Das abendliche Beisammensein war extrem unterhaltsam und alle hatten Spaß.“ Sicher gäbe es da die eine oder andere interessante Geschichte zu erzählen. Zum Beispiel vom zehnminütigen Lachanfall eines Team-Mitglieds. Aber erstens war ich nur für die sportliche Berichterstattung zuständig, zweitens in einer 13 Kilometer vom Epi-Zentrum der Abendunterhaltung in Colchester entfernten Cottage auf dem Lande untergebracht. Und drittens geht euch das gar nichts an.

Kraus: „Diese Tage waren für mich ein unvergessliches Erlebnis“

„Diese Tage waren für mich ein unvergessliches Erlebnis und dazu habt ihr alle beigetragen.“ (Wolfgang Kraus). Schöner kann man es nicht sagen. Nur dumm, dass ich es erzählt habe. Denn in zwei Jahren, bei der nächsten EM, wird es jetzt noch mehr Hauen und Stechen um die Plätze im deutschen Team geben …

Fotos: discgolfen.de