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DM in Dassel: Spitzensport auf
internationalem Niveau

6.5.2010 – Von Ewald Tkocz. Wer ein Fazit der Deutschen Disc Golf-Meisterschaft in Dassel ziehen will, fragt am besten einen weit gereisten, der Neutralität verpflichteten Schweizer. „Es würde mich nicht wundern, wenn in Dassel eine Disc Golf-Europameisterschaft ausgetragen werden würde“, sagte Francesco Puliafito, eine der „Lichtgestalten“ des europäischen Disc Golf am Montag nach dem Turnier. Und er fuhr fort: „Wo in Europa gibt es eine Anlage, die so vielen Spielern direkt am Kurs Platz bietet? Auch die beiden Kurse genügen den Ansprüchen eines EM-Kurses.“ Gefragt, was er an dem Turnier in Dassel besonders schätze, brauchte der 67jährige, der auf Disc Golf-Parcours in ganz Europa zu Hause ist, nicht lange nachzudenken: „Die Gastfreundschaft.“ Ein anderer Spieler, Martin Fohlert aus Ulm, sprach aus, was manch einer dachte: „Warum kann die Deutsche Meisterschaft nicht jedes Jahr in Dassel stattfinden?“ Doch das fantastische Organisations- und Helferteam aus Dassel würde derlei Ansinnen derzeit empört zurückweisen, erschöpft und erleichtert zugleich, dass sie dieses Turnier mit einer Rekordbeteiligung von 124 Spielern so großartig bewältigt haben. Doch vielleicht spüren sie aus diesen Worten heraus, wie sehr die Teilnehmer dieses Turnier genossen und die große Anstrengung der Organisatoren, der Meisterschaft einen würdigen Rahmen zu geben, anerkannten. Hinter vorgehaltener Hand versicherten zudem einige Spieler, sie kämen eigentlich nur wegen des guten Essens nach Dassel …

Ein Kurs, der die Spreu vom Weizen trennt

Auf diesem Kurs, „der wie kein anderer in Deutschland die Spreu vom Weizen trennt“ (Vize-Europameister Michael Stelzer), blieben Überraschungen weitgehend aus. Simon Lizotte verteidigte in der Open-Klasse seinen Titel ebenso wie Michael Kobella bei den Masters, Dominik Stampfer bei den Junioren und Bill Kelton bei den Legends. Doch mit Susann Fischer (Potsdam) bei den Damen, Andreas Wegener bei den Grandmasters und Ulrich Specht (Wolfenbüttel) bei den Senior Grandmasters gab es drei Spieler und Spielerinnen, die ihre Meisterschaftspremiere gleich vergoldeten. Susann Fischer, die erst seit drei Jahren Disc Golf spielt, erntete bei ihrem DM-Debut reichlich Komplimente. Ralph Lehmann: „Sie ist stilistisch große Klasse, es war ein Genuss, ihrem Spiel zuzusehen.“ Und Jürgen Taube ergänzte: „Als Ultimate-Spielerin bringt sie natürlich alle Voraussetzungen mit, die Wurftechniken beim Disc Golf rasch zu beherrschen.“ Grandmaster-Sieger Andreas Wegener aus Hamburg freut sich wiederum auf weitere Disc Golf-Turniere: „Nachdem ich jetzt Deutscher Meister geworden bin, habe ich gegenüber meiner Frau und Tochter bessere Argumente, am Wochenende einmal alleine wegzufahren …“

Für eine überaus positive Überraschungen sorgte auch Moritz Lang (Söhnstetten), der in der Open-Klasse den wurfgleichen Taddäus Winkelbeiner aus Augsburg im Stechen bezwang und sein erstes großes Finale erreichte. Mit konstanten Runden spielte sich Michael Voglmeyer in den Top-Flight der Masters und wurde verdient Vierter. Auch mit Maya Erdmanns drittem Platz bei den Damen war nicht unbedingt zu rechnen.

Also same procedure as every year? Der Eindruck trügt. Die Siege der Favoriten hingen am seidenen Faden. Beispiel gefällig? Lassen wir Christian Plaue zu Wort kommen: „In der vierten Runde lag ich nur noch einen Wurf hinter Simon, hatte nach acht Bahnen zwei Würfe aufgeholt.“ Doch dann kam Bahn 9, eine für Spieler seiner Klasse ziemlich unproblematische Bahn, nur 58 Meter lang, bergauf, der Korb von hohen Bauzäunen eingerahmt. „Mache ich doch da glatt eine Fünf“, schilderte der Grebensteiner nach dem Turnier, „und war danach so durcheinander, dass ich an der anschließenden Bahn mit der Doppel-Insel eine Acht gespielt habe.“ Statt als „leader of the pack“ in das Finale der besten fünf Open-Spieler einzuziehen, war er am Ende der vierten Runde „nur“ Vierter. Doch Christian Plaue war am Ende des Turniers „super zufrieden“, hatte er sich doch mit dem besten Finalergebnis (29) noch Platz drei in der Open-Klasse vor Robert Delisle senior (Berlin) erkämpft und an der Seite von Simon Lizotte auch noch den Doubles-Titel geholt, gleichauf mit Klaus Kattwinkel (Engelskirchen) und Bobby senior.

Simon Lizotte: Der Spieler mit den wenigsten Fehlern gewinnt das Turnier

Hat Simon Lizotte die Meisterschaft an den „Schlüsselbahnen“ der beiden Parcours gewonnen? Oder dadurch, dass er mehr ‚Birdies‘ erzielte als seine Mitkonkurrenten? Beide Fragen lassen sich negativ beantworten. Bei den von mir ausgewählten „Schlüsselbahnen“ (die Bahnen 5, 6, 10 und 13 des gelben, sowie die Bahnen 1, 9, 13 und 14 des blauen Kurses) liegen Simon Lizotte und Kurt König gleichauf (62 Würfe). Lediglich Christian Plaue verliert hier fünf Würfe gegenüber den beiden Erstplatzierten. Auch die Anzahl der ‚Birdies‘ ergibt keinen signifikanten Unterschied zwischen Simon und Kurt. Beide haben ein Ass geworfen. Kurt König hat sogar eine Zwei mehr (16) in seinem Scorebook stehen als Simon Lizotte und Christian Plaue (beide 15).

Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass der 17jährige Bremer sich offensichtlich weniger Fehler leistete als seine beiden hartnäckigsten Konkurrenten. Bei ihm stehen nur eine Sechs, sechsmal eine Fünf und sechsmal eine Vier zu Buche. Kurt König spielte zwar keine Sechs und auch nur viermal eine Fünf, doch an 17 Bahnen musste er eine Vier notieren. Ähnlich sieht die Bilanz bei Christian Plaue aus (eine Acht, eine Sechs, dreimal die Fünf, 16mal die Vier).

Die Konstanz in seinem Spiel ist eine weitere Qualität, die Simon Lizotte auszeichnet. Auf eine Vier oder Fünf folgte in keiner der vier Runden ein Bogey. Es gab bei seinem Auftritt in Dassel keinen Leistungseinbruch: Ein weiterer, entscheidender Vorteil neben der Länge seines Spiels, die ihm vor allem auf dem gelben Kurs zugute kam.

Krimi im Kopf und auf dem Parcours: Spannender Dreikampf bei den Masters

Nächstes Beispiel, wie spannend die Titelkämpfe verliefen, diesmal aus der Masters- Klasse. Für Michael Kobella schien nach zwei Runden, in denen er sich einen Vorsprung von neun Würfen erarbeitet hatte, der Titel nur noch Formsache zu sein. „Doch dann habe ich zu defensiv gespielt“, bekannte der Augsburger, „die Annäherungen gerieten zu kurz, die Putts zu lang.“ Der Zweitplatzierte George Braun attackierte in der dritten Runde und verkürzte mit einer tollen 52er-Runde den Abstand auf den Vize-Europameister (59) bis auf zwei Würfe. „Die letzte Runde war dann der reinste ‚Krimi im Kopf‘, es war bis zuletzt spannend“, schilderte Kobella erleichtert nach der Finalrunde. Frank Buchholz hatte zwar, rechnet man die Runden zwei bis vier zusammen, den besten Score der drei deutschen Top-Spieler, doch lief der Hamburger dem Rückstand, der aus einer mäßigen ersten Runde resultierte, vergeblich hinterher.

Erfolgreiche Dasseler „Lokalmatadoren“

Die Dasseler Disc Golfer feierten zwei Podestplätze (Kurt König und Maya Erdmann) und etliche Spitzenplatzierungen. Kurt König war der erwartet schwere Gegner für Simon Lizotte und wurde mit acht Würfen Rückstand Zweiter in der Open-Klasse. Leo Seibel glänzte mit Platz zwölf. Ihm fehlten nur zwei Würfe zu einem Platz unter den besten Zehn. Yannick Stehrenberg hatte nach einer mäßigen Auftaktrunde keine Chance mehr, in den Kampf um die Spitzenplätze einzugreifen. Ansonsten spielte er auf dem Niveau der Top Ten-Spieler. Er wurde 14., verschenkte an der Inselbahn 13, die ja praktisch vor dem Stehrenbergschen Wohnzimmer liegt, mit einer Zehn eine Platzierung unter den besten zehn Spielern. Sven Noack, beim Vorjahresturnier im Finale, wurde 17., Stefan Sieburg 24., Björn Effenberger 39. Bei den Masters spielte sich André Klawonn in den zweiten Top-Flight und wurde Sechster. William Erdmann belegte bei den Grandmastern Platz sieben und zeigte sich vor allem mit seiner Schlussrunde (65) auf dem Waldkurs zufrieden.