22.04.2010 – Von Ewald Tkocz. Bereits vor dem ersten Abwurf schreibt die Deutsche Meisterschaft vom 30. April bis 2. Mai in Dassel Geschichte: mit 128 gemeldeten Teilnehmern wird die DM zum bisher größten Disc Golf-Turnier Deutschlands. Die Veranstalter aus Dassel haben mit zwei 16 Bahnen-Kursen, auf denen parallel gespielt werden kann, beste Voraussetzungen für ein Turnier der Superlative geschaffen. „Mister Birdie“, Frank Neitzel: „Dassel ist von der Besetzung, vom Kurs-Layout und von der Atmosphäre her das interessanteste Turnier in Deutschland.“ Die Vorfreude und die Erwartungen sind groß – denn mit wenigen Ausnahmen sind alle Spitzenspieler am Start. Die spannende Frage lautet: Wer kann gegen den Top-Favoriten, den 17jährigen Titelverteidiger Simon Lizotte, gewinnen?
Die Kurse in Dassel: lang, schwierig, herausfordernd
Die beiden anspruchsvollen und abwechslungsreichen Kurse nötigen den Spitzenspielern gehörigen Respekt ab. Simon Lizotte: „Dassel ist sehr tricky und verlangt einem alles ab.“ „Superschwer“, urteilt Vize-Europameister Michael Stelzer und Ted Winkelbeiner ergänzt: „Lang, schwierig, geil.“ Während auf dem so genannten „gelben Kurs“ überwiegend in den offenen Wiesen um das CVJM-Heim Solling gespielt wird, bewegen sich die Spieler auf dem „blauen Kurs“ vor allem im Wald. Bewegen. Ein Schlüsselwort. „Das werden wieder die Dasseler Wandertage“, grinst Martin Fohlert. Der „blaue Kurs“ ist knapp 1 600 Meter lang und wird mit Par 54 veranschlagt. Die durchschnittliche Bahnlänge beträgt fast 100 Meter. Der „gelbe Kurs“ ist mehr als 1.750 Meter lang und hat eine Vorgabe von 57 oder 58 Würfen, je nachdem, wie Bahn 10 gestaltet wird (durchschnittliche Bahnlänge: 110 Meter). Das „Herzstück“ dieses Kurses ist die 264 Meter lange Bahn fünf. Turnierdirektor Kurt König: „Für die DM haben wir einige Bahnen verändert und es wird auch vier komplett neue Bahnen im Wald geben.“
Königs Ratschlag: ein Sicherheits-Risiko-Profil erstellen
Also ein Kurs für die Kerle mit Oberarmen wie Oberschenkel? Kurt König verneint: „Beide Kurse sind relativ lang; dennoch haben die ‚Big Arms‘ keinen großen Vorteil. Wenn man drei solide Runden spielen möchte, ist es wichtig, platziert zu spielen.“ Und der TD, der in der Open-Klasse selbst zum Kreis der Mitfavoriten zählt, liefert gleich die Gebrauchsanweisung mit: „Die Spieler werden oft vor der Entscheidung stehen, ob sie an einer Bahn die sichere Variante spielen, oder auf volles Risiko gehen, mit der Chance auf ein Birdie. Je nach Spielstärke und Tagesform ist es hilfreich, sich gedanklich ein Sicherheits-Risiko-Profil zu erstellen.“ Als warnendes Beispiel führt er Bahn 10 des „gelben Kurses“ an, bei der sich viele Spieler in der Vergangenheit bei dem Versuch, ein Birdie zu spielen, ein zweistelliges Ergebnis eingehandelt hätten.
In der Open-Klasse: Simon gegen den Rest der Welt
Die Rolle des Top-Favoriten ist auf der „Freilichtbühne“ in Dassel mit dem jugendlichen Helden Simon Lizotte besetzt. Der junge Bremer hat damit auch keinerlei Probleme. Er rechnet Vize-Europameister Michael Stelzer (Söhnstetten) und Yannick Stehrenberg (Dassel) zu seinen wichtigsten Konkurrenten. Simon Lizotte: „Michi kann immer richtig geile Runden raushauen und hat durch seinen langen Wurf auch Vorteile gegenüber anderen Spielern.“ Yannick Stehrenberg wiederum habe auf seinem Heimkurs einen klaren Vorteil, da „er die Bahnen viel besser kennt als jeder andere. Ich kenne sein Potenzial ganz genau und weiß, was für ein Super-Spieler er wirklich ist.“ Aber er rechne nicht nur mit diesen beiden. Simon Lizotte: „Denken wir mal an die Delisles, Kattwinkel, Bäss, Marter, Plaue, Winkelbeiner und so weiter. Alle sehe ich mit guten Chancen auf eine Finalposition.“
Interessanterweise fehlt Kurt König in der Aufzählung des Titelverteidigers. Beide trafen bei der Wintertour zweimal aufeinander. Beim C-Turnier in Ibbenbüren Ende Januar hatte König im Stechen das bessere Ende für sich. Und ebenso interessanterweise relativiert Kurt König die Favoritenrolle des 17jährigen Konkurrenten: „Wenn es nach den Buchmachern geht, wird Simon Deutscher Meister. Aber das sind Zahlenspielereien. Da auf dem Kurs so viel passieren kann, wird es bis zum Ende des Turniers spannend bleiben.“ Auch er hat Yannick Stehrenberg mit auf der Rechnung. König: „Yannick hat in den letzten Wochen auf sehr hohem Niveau gespielt.“
Starke Masters-Konkurrenz: Kobella, Buchholz, Wahrmann, Fohlert, Meyer
Die vergangene Saison war bei den Masters geprägt von dem spektakulären Duell zwischen Frank Buchholz (Hamburg), der die German Tour gewann, und Vize-Europameister Michael Kobella (Augsburg), der in Weilheim Deutscher Meister wurde. Doch es ist schwer zu sagen, in welcher Verfassung die beiden zu Beginn der noch jungen Saison sind. Beim Advanced Approach & Putt Turnier in Söhnstetten wechselten bei Michael Kobella Licht und Schatten von Runde zu Runde. Buchholz, der seine Form beim PDGA EuroTour-Turnier in Kopenhagen gerne noch einmal getestet hätte, stand vier Tage vor Turnierbeginn noch auf der Warteliste. Der Ulmer Martin Fohlert zeigte sich dagegen in Lörrach und bei den letzten Turnieren schon in guter Verfassung. Gelingt es seinem Ulmer Trainingspartner Volker Meyer auch im Finish Konstanz zu zeigen, zählt auch er zu den Anwärtern auf einen Spitzenplatz. Auch Ex-Weltmeister Hartl Wahrmann (Lünen) kann in Dassel seine Erfahrung und präzise Technik ausspielen.
Bei den Junioren: das Beste, was Deutschland zu bieten hat
Auch wenn Titelverteidiger Dominik Stampfer (Heidenheim) favorisiert ist und sich bei seinen Auftritten in Hesselbach, Rüsselsheim und Söhnstetten in bestechender Form präsentierte, trifft er bei der DM auf starke Konkurrenz. Sein Vereinskamerad vom Sportclub Albuch, Marc Mäding, zeigte sich zuletzt wieder erstarkt und reist mit dem Selbstbewusstsein an, die Haus Solling Open bei den Junioren im Vorjahr gewonnen zu haben. Sven Rippel (Lünen) hat sich 2009 prächtig entwickelt und bei den Turnieren in Rijswijk und Finow Channel Challenge behauptet. Nicht zu vergessen der 14jährige Robin Holighaus (Rüsselsheim) und der 16jährigen Jerome Braun (Berlin), die bei dieser Konkurrenz hochmotiviert an den Start gehen werden.
Erstklassige Damen-Konkurrenz
Ein solches Feld hat es bei den Damen zuletzt nicht gegeben: bis auf Diemut Bartl sind alle deutschen Spitzenspielerinnen in Dassel mit von der Partie. Christine Hellstern (Oberkirch) genießt als Titelverteidigerin natürlich einen Bonus, doch die Spielerinnen aus Berlin (Alessa Schwarz) und Potsdam (Josephine Jahn, Astrid und Margrit Dittmann, Susann Fischer, Elise Fehrle) werden ihr das Feld nicht kampflos überlassen. Auch Vizemeisterin Tanja Höll (Augsburg), Anja Eberts (Greifswald) und Maya Erdmann (Dassel), die den Kurs aus dem effeff kennt, sind zu beachten.
George Braun Master der Grandmaster?
Bei den Grandmastern werden die „Aufsteiger“ aus der Masters-Klasse die erste Geige beanspruchen. George Braun, der von seinem Leistungsvermögen her bei den Masters zu den Titelanwärtern zählen würde, probt bei den „Herren mit den grauen Schläfen“ schon einmal für seinen Auftritt bei der Europameisterschaft, wo er ebenfalls bei den Grandmastern antritt. Andreas Wegener (Hamburg) könnte Thomas Wiegand (Grebenstein) Platz zwei streitig machen.
Hans gegen Bill: ein legendäres Duell
Ein einziger Wurf entschied bei der Deutschen Meisterschaft 2009 in Weilheim das Duell zwischen Hans Behrendt (Berlin) und Bill Kelton (Leonberg). Beide verkörpern deutsche Disc Golf-Geschichte in geradezu vorbildlicher Weise. Auf die neueste Auflage dieses „legendären“, ewig jungen Zweikampfes, darf man folglich gespannt sein. Bei den Senior Grandmastern begleitet der Schweizer Francesco Puliafito, der sich Hoffnungen auf den EM-Titel macht, Holger Wähling (Kellenhusen) und Ulrich Specht (Wolfenbüttel) über den Parcours.
Das „Gesamtpaket“ macht Dassel zu einem der beliebtesten Turniere im Land
Doch was macht Dassel zu „einem der beliebtesten Turniere im Jahr“ (Kurt König)? „Alles“, sagt Marc Mäding lakonisch. Ted Winkelbeiner assistiert: „Das Essen ist hervorragend. Die meisten Spieler wohnen direkt am Kurs. Es ist schon etwas Besonderes, wenn abends 80 Spieler zusammen sitzen können.“ Und er ergänzt: „Dassel ist eines der bestorganisierten Turniere in Deutschland.“
Etwa zehn Personen sind seit Anfang Januar an der Turnier-Vorbereitung beteiligt. Im Zentrum: Axel Sieburg. Turnierdirektor Kurt König: „Axel zeigt ganz besonders viel Einsatz. Ohne sein Engagement und seine guten Ideen könnten wir die Deutsche Meisterschaft nicht in diesem Umfang veranstalten.“ Seine Frau Conny und Martina Erdmann kümmern sich, wie jedes Jahr, um die Verpflegung der Spieler.
Der Kurs, das hochkarätige Starterfeld, die Turnieratmosphäre und das rundherum gelungene „Gesamtpaket“ machen Dassel zu einer „erstklassigen Location“ (Frank Neitzel). Bleibt die Hoffnung, dass auch der Wettergott den Veranstaltern zur Seite steht. Denn die vier Runden am Samstag und Sonntag werden den 128 Spielern alles abverlangen. Das Turnier startet am Freitag mit der Deutschen Doubles-Meisterschaft und endet am Sonntag Nachmittag mit dem Finale der besten Open-Spieler.
Bild und weitere Infos: www.discgolf-dm-dassel.de