11.7.2011 | Ewald Tkocz. Die GermanTour went Europe. Und welcher Ort wäre für die Auslandspremiere der Turnierserie passender gewesen als Straßburg mit seinen zahlreichen europäischen Institutionen, welcher Turnierdirektor geeigneter als Mario Tomasi? Tomasi, polyglotter Elsässer, Franzose mit italienischem Namen, Disc Golf-Kosmopolit, der in einem Ingenieur-Büro derzeit daran arbeitet, dem Schnellzug TGV auf der Strecke nach Lyon auf die Sprünge zu helfen. Im wunderschönen Park von Koenigshoffen, einem der 14 Quartiers im Westen der elsässischen Metropole, in dem die Römer schon in christlicher Vorzeit dem heidnischen Gott Mithras huldigten und eine Legion stationiert hatten, frönten Franzosen, Schweizer, Deutsche, Italiener und Amerikaner dem Scheiben-Kult.
Ach ja, gewonnen hat auch einer. Kein Zufall. Ein viel gereister, auf europäischen Kursen sich zu Hause fühlender Schwarzwälder: Frank Hellstern aus Oberkirch, der seine Frau Christine demnächst zum Highlight der europäischen Disc Golf-Saison, den European Open in Finnland, begleiten wird.
Thomas Barker: „It was tough Disc Golf“
Die Entscheidung war knapp und spannend und doch herrschte – trotz aller sportlichen Ambitionen – eine entspannte Stimmung. Elsässisch eben. Der Top-Flight, der seit der zweiten Runde zusammen spielte, war bunt gemischt: Neben Open-Spieler Hellstern gehörten ihm noch der seit acht Jahren in Straßburg lebende Amerikaner Thomas Barker, der in der Masters-Division antritt, und die beiden Grandmaster Mario Tomasi und Ewald Tkocz an, der nach einer 34er-Runde (zwei unter Par) im zweiten Durchgang vorübergehend die Führung im Gesamtklassement übernommen hatte.
Am Ende hatte Hellstern (107) mit einem Wurf Vorsprung die Nase vorn. TD Mario Tomasi, der vor zehn Jahren den Kurs in Koenigshoffen installiert hatte, wurde mit 108 Würfen Zweiter vor Thomas Barker (109). Ewald Tkocz (111) teilte sich mit dem dreimaligen Europameister Paul Francz Platz vier. „It was tough Disc Golf“, resümierte Thomas Barker. Denn die schwüle Luft des Vormittags kühlte am Nachmittag merklich ab. Der Wind – in der Spitze mit Böen um Stärke fünf – frischte auf, drehte ständig und machte die Abwürfe zeitweise zum Lotteriespiel. Vor allem die windanfälligen Bahnen um die Sporthalle, in der sich deutsche und französische Jugendliche an diesem Wochenende lautstark auf die Matten knallten, und das angrenzende Fußballfeld gerieten so zu einer wahren Herausforderung. Und nicht wenige Scheiben verabschiedeten sich über die Metallzäune der Kleingärtner- und Gleisanlagen ins o.b. „Die Bahnen sehen so einfach aus. Aber sie sind es nicht“, staunte Frank Hellstern, dem es als einzigem Spieler gelang, die 36 Bahnen unter Par abzuschließen.
Souveräne Erfolge für Christine Hellstern und Maximilian Tkocz
Überlegene Siege feierten Christine Hellstern (Oberkirch) bei den Damen und Maximilian Tkocz (Geislingen), der bei den Junioren seinen ersten Klassensieg bei einem GT-Turnier errang. Christine Hellstern freute sich nach der zweiten Runde diebisch, dass sie ihren Gatten mit einer guten 38er-Runde um einen Wurf übertroffen hatte. Und Maximilians Flight-Partner Michael Janske-Drost frotzelte nach der 37er-Schlussrunde des Juniors: „Heute hast du mit deinem Talent um dich geworfen.“
Paul Francz: Straßburg als Prolog zu den European Open
Dass der Schweizer Paul Francz, der sich erst einen Tag vor dem Turnier angemeldet hatte, in Straßburg am Start war, war die große Überraschung. Denn seit der Französischen Meisterschaft im November letzten Jahres hatte der zuvor als Grandmaster in 18 internationalen Turnieren unbesiegte „Löwe von Balsthal“ – Francz ist im Tierkreiszeichen Löwe geboren – kein internationales Turnier mehr bestritten. „Ich habe in den letzten Jahren sehr viel gespielt und mir eine Auszeit genommen“, sagte Francz, „ich habe sogar überlegt, ein ganzes Jahr lang nicht mehr zu spielen.“ Doch so lange konnte er die Finger doch nicht von den Scheiben lassen.
In Balsthal klingeln nicht nur die Kuhglocken
Nun locken Paul Francz die European Open. „Ich wollte hier in Straßburg nach der langen Pause einfach wieder Turnierpraxis sammeln.“ Seine erste Niederlage bei einem internationalen Turnier als Grandmaster nahm er gelassen. Möglicherweise wird es seine einzige bleiben. Denn nachdem er als Grandmaster in den vergangenen drei Jahren alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, sucht der 52-Jährige nach einer neuen Herausforderung. Das Schlüsselerlebnis war, wie gesagt, die Französische Meisterschaft, bei der er nach zwei Runden führte. Vor Sylvain Gouge, dem verhinderten Eurotour-Sieger 2010. Und deshalb jagt der Löwe aus dem Kanton Solothurn demnächst wieder in der Open-Kategorie. Und wenn es in der Hölzlistraße in Balsthal nun wieder häufiger klingelt, wissen die schon etwas betagten Nachbarn, dass es sich nicht um die Kuhglocken entlaufener Rindviecher handelt …
Nächstes französisch-deutsches Disc Golf-Happening im September
PS: Das nächste französisch-deutsche Disc Golf-Happening findet am ersten September-Wochenende auf dem Champ du Feu in den Mittelvogesen statt. Aus eigener Erfahrung sehr zu empfehlen.