30.7.2012 Ewald Tkocz. Der Körper des jungen, schlaksigen Mannes bog sich im Augenblick des höchsten Triumphes nach hinten. Wie ein Bogen, dessen Sehne zum Zerreißen gespannt wird. Erleichtert, fast beschwörend, hob Dominik Stampfer seine Arme empor und legte den Kopf weit in den Nacken. Er blickte in den Himmel und schloss die Augen, als der Jubel der Zuschauer nach seinem letzten Putt aufbrandete und hatte … „Gänsehaut, einfach nur Gänsehaut. Diesen Augenblick werde ich nie, nie mehr in meinem Leben vergessen“.
Dominik Stampfer: Als wäre ein Riesenballon geplatzt
Siegerposen sagen manchmal mehr als Worte. „Es war, als wäre ein Riesenballon geplatzt und eine Last von mir geflogen“, verriet Dominik Stampfer nach seinem Erfolg beim 16. Albuch Classic, „und gleichzeitig war es die Erfüllung eines Traumes, hier in Söhnstetten auf dem Parcours zu gewinnen, auf dem ich mit elf Jahren angefangen habe, Discgolf zu spielen.“
Dieser Druck, in seinem „Wohnzimmer“ gewinnen zu wollen, hatte ihn im Vorjahr noch gelähmt. Doch diesmal war der 19-Jährige reif für den ganz großen Wurf. Und das, obwohl, oder vielleicht gerade weil zwei andere Spitzenspieler ihm sein allerbestes Discgolf abnötigten. Der eine: Michael Stelzer, der 2007 als letzter Spieler des Sportclubs Albuch (WSCA) dieses Turnier gewonnen hatte. Der andere: Der ebenfalls 19-jährige Jerome Braun aus Berlin. Ein feiner Techniker, dem als Drittem am Ende nur fünf bzw. drei Würfe auf die beiden „Lokalmatadoren“ fehlten. Der vierte im Open-Finale war Marc Mäding, der im Finale „noch einige geile Würfe zeigen“ wollte, aber manchmal übers Ziel hinaus schoss.
Michael Stelzer: Das Putt-Spiel gab den Ausschlag
„Ich hatte zwar die besten Drives, aber Domi hat einfach sensationell geputtet“, analysierte Michael Stelzer jenes Quäntchen, das am Ende den Ausschlag für den jungen Heidenheimer gab, „ich habe immer auf einen Fehler von ihm gewartet, aber er hat keinen gemacht.“ Der Vize-Europameister von 2008 nahm Dominik Stampfer in der ersten Runde und im Halbfinale zwar jeweils zwei Würfe ab, büßte aber in der zweiten Runde deren sechs auf seinen Vereinskameraden ein. Der Söhnstettener war mit seiner Leistung dennoch „hoch zufrieden“. „Immerhin habe ich den Jungs mehr als 100 Prozent abverlangt“, grinste der 27-jährige „Oldie“, der den Kampf um die GermanTour noch nicht aufgegeben hat und in der Gesamtwertung auf Platz zwei vorgerückt ist. Mit seinem Sieg und den 200 Punkten baute Dominik Stampfer seine Führung in der Gesamtwertung aus.
Schon nach dem ersten Tag war klar, dass sich in Söhnstetten ein Zweikampf zwischen den „locals“ des WSCA und Berliner Jungs anbahnte. Die „goldene“ Generation der 19- bis 21-jährigen WSCA-Spieler trumpfte mit den Plätzen eins, vier, sechs (Christian Schmidt) und neun (Moritz Lang) auf wie nie zuvor. Lediglich den Gebrüdern Jerome und Victor Braun (Fünfter) und Nikolai Tsouloukidse (Achter) gelang es, in diese Phalanx einzubrechen. Tobias Behrens wurde Siebter.
Söhnstetten-Spezialist Frank Buchholz gewinnt zum dritten Mal
Frank Buchholz ist ein ausgewiesener Söhnstetten-Spezialist. Erstaunlich für einen Flachland-Tiroler. Nach 2009 und 2011 gewann der Hamburger nun zum dritten Mal die Masters-Konkurrenz. Die Gründe, warum der Deutsche Meister so gerne die 670 Kilometer auf sich nimmt, sind offensichtlich. Er kommt als Bleichgesicht aus der norddeutschen Tiefebene und verlässt die kleine Alb-Gemeinde als sonnengebräunte Rothaut mit hummerfarbenen Teint. Im Gepäck: die Siegestrophäe und den Siegerscheck.
Hinzu kommt der Nervenkitzel. Unvergessen sein Stechen um den Sieg 2009 gegen Michael Kobella an Bahn zwei, als er den Augsburger mit 12:6 bezwang. Diesmal war „Mister GermanTour“ Klaus Kattwinkel sein Sparringspartner. Buchholz entschied das Duell erst im Finale mit einer bemerkenswerten 28er-Runde auf den neun Finalbahnen für sich.
Der nach dem ersten Tag führende Oliver Möllemann büßte seine Siegchancen in der dritten Runde ein, als er fünf über Par spielte. „Ich habe derzeit bei fast jedem Turnier eine schwache Runde, es fehlt mir noch an Konstanz“, sagte der Berliner nach dem Turnier entschuldigend. Fast hätte er seinen dritten Platz noch an Volker Meyer abgegeben, der mit nur einem Wurf Rückstand Vierter wurde. Der Ulmer hatte den nach drei Runden wurfgleichen George Braun im Stechen mit 5:4 aus dem Finale gekegelt. Wieder an der von dem Berliner ungeliebten Bahn eins, an der Braun bereits im Vorjahr im Stechen gegen einen anderen WSCA-Spieler, Ralph Lehmann, den kürzeren gezogen hatte. Es ist zu befürchten, dass diese Bahn nun nach George benannt wird.
Paul Francz löst die Handbremse
„Dress well, play well.“ Unverständlicherweise wurde der Artikel von Paul Francz, in dem er nachweist, dass gut gekleidete Spieler besser discgolfen, in der deutschen Szene nicht rezipiert. Sonst hätten sich die drei Älbler, die den Schweizer im Touri-Freizeitlook bzw. im Dress eines Fußball-Drittligisten begleiteten, stilistisch besser auf die Begegnung mit dem Sportmoden-Trendsetter vorbereitet.
Vor der ersten Runde traf der Schweizer, der sich am Morgen zwischen mindestens drei Outfit-Varianten entscheiden musste, aber offenbar die falsche Wahl. Denn am Mittag fand sich der dreimalige Europameister nach einer 66er-Runde (acht über Par) gemeinsam mit Senior Grandmaster Benjamin Schneider auf Platz fünf wieder. Klar, dass der „Löwe von Solothurn“ – Francz ist im Tierkreiszeichen Löwe geboren – diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen konnte. Mit einer furiosen 54er-Runde übernahm er bereits am Samstagnachmittag die Führung.
Am Sonntag demonstrierte er seine Extra-Klasse. Mit überragenden Drives – an der 190 Meter langen Bahn fünf legte er bei schwierigen Windverhältnissen die Scheibe an den Pin! – baute er seinen Vorsprung am Ende auf satte 19 Würfe auf Lothar Henseler (Giengen/Brenz) aus. Und wären da nicht die zickigen Körbe in Söhnstetten und sein Putt-Spiel gewesen, an dem er in den Pausen zwischen den Runden immer wieder herum feilte, wären Runden-Ergebnisse um die 50 möglich gewesen. So konnte der Schweizer am Ende ein zufriedenes Fazit ziehen: „Alle Rechnungen beglichen, Selbstvertrauen für die EM getankt.“
Weniger gut lief es für die beiden in der GermanTour führenden Spieler. Wolfgang Kraus aus Rüsselsheim musste sich mit Platz fünf, Ewald Tkocz (Geislingen) mit Rang drei begnügen. Kraus, der noch am Freitagnachmittag beim Doubles-Wettbewerb überzeugt hatte, sagte, er habe an beiden Tagen „einfach keinen Zugriff auf die Bahnen gefunden“. Zwar ist die Entscheidung über den Tour-Sieg noch offen. Aber da Kraus auch noch das A-Turnier in Kellenhusen spielt und dort mit Ausnahme von Andreas Wegener kaum auf ernsthafte Konkurrenz stoßen wird, sind seine Aktien seit diesem Wochenende eher gestiegen. Elmar Stampfer spielte sich ins Finale und war die positive Überraschung der Grandmaster-Division.
Klare Favoriten-Siege für Kevin Konsorr und Natalie Moßig
Kevin Konsorr bei den Junioren und Natalie Moßig bei den Damen feierten ungefährdete Favoriten-Siege und hätten sich sicher etwas mehr Konkurrenz gewünscht. Der 17-jährige Lünener hätte mit seinem Ergebnis (elf unter Par) im zweiten Top-Flight der Open-Kategorie eine gute Figur abgegeben. Der 15-jährige Jonas Lehmann aus Augsburg legte als Zweitplatzierter mit seinem Ergebnis (sieben über Par) eine überzeugende Talentprobe ab. Zweifelsohne zählt er zu den jungen Nachwuchsspielern,u die in der Nach-Konsorr-Ära um Titel mitspielen können.
Dennis Stampfer: „Es ist alles reibungslos gelaufen“
Er wisse an manchen Tagen nicht, warum er sich das antue. Warum er sieben Tage seines Jahresurlaubs für dieses Turnier opfere, sagte Turnier-Direktor Dennis Stampfer am Sonntagabend, als er sich mit einem Grillfest bei den zahlreichen Helfern bedankte. Außenstehende können nicht erahnen, wie viel Detailarbeit und Organisation zu leisten ist, um ein Event dieser Größenordnung gut über die Bühne zu bringen. „Es ist reibungslos gelaufen“, stellte „Mister ec08“ fest.
Zwei Stunden lang hatte er am Samstag Mittag gebannt auf das Regen-Radar eines meteorologischen Wetterdienstes gestarrt, um die Spieler rechtzeitig vor einem herannahenden Gewitter zu warnen. Doch alles ging gut, sieht man von einigen Stürzen auf den regennassen Hängen ab. „Petrus hat bewiesen, dass er ein Disc Golfer ist“, brachte es Marco Rühl auf den Punkt. Er selbst, schwer gestürzt, wurde von gleich drei Frauen versorgt und so wieder hergestellt, dass er das Turnier erfolgreich zu Ende spielen konnte. Auch das eines von vielen Beispielen für den „spirit“, der an diesem Wochenende herrschte.
Ein Fest für die Club-Annalen
Der „technische“ Aspekt und reibungslose Ablauf war, wie gesagt, nur die eine Seite der Medaille. Als es daran ging, den Kurs abzubauen, packten alle, die noch da waren, an. Selbst die, die nicht eingeteilt und wild ent-schlossen waren, den „Chill out“ mit einigen Weizenbieren zu genießen. Das anschließende Fest wird in die Annalen des WSCA eingehen. Die Küchen-/Grill- und Service-Crew lief, wie schon das ganze Wochenende, zu Höchstform auf.
Dominik Stampfer kriegte das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht, Michael Stelzer läutete unentwegt die Kuhglocke neben der Theke, um mit den Anwesenden anzustoßen. Allein zehn der 18 gestarteten WSCA-Spieler hatten die Finals erreicht. Doch neben dem sportlichen Erfolg entdeckte dieser Haufen eigenwilliger Individualisten noch etwas anderes, lange Vermisstes wieder: das Wir-Gefühl. Also Dennis, es lohnt sich weiterzumachen.
Fotos: Matthias Masel