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1076: Simon Lizotte in Bern auf Weltklasseniveau

5.10.2010 | Ewald Tkocz. Simon Lizotte setzt nun auch auf europĂ€ischer Ebene neue MaßstĂ€be: Der 17jĂ€hrige krönte eine bisher fantastische Saison mit dem Sieg bei den Bern Open. Mit einem durchschnittlichen Rating auf den drei Runden von 1060.

„Mein erster Sieg bei einem EuroTour-Turnier war einfach fĂ€llig“, sagte der Bremer, „es gab an meinem Spiel an diesem Wochende nichts zu meckern.“ Was der sehr ehrgeizige und selbstkritische Simon hanseatisch zurĂŒckhaltend kommentierte, war leicht untertrieben. Denn er distanzierte den Zweitplatzierten, den schwedischen Weltklassespieler Markus KĂ€llström, um nicht weniger als elf WĂŒrfe! Ein Klassenunterschied. Sylvain Gouge lag als Dritter sogar 15 WĂŒrfe hinter dem Sieger. Doch dem Franzosen reichte Platz drei zum Gesamtsieg in der EuroTour. Entgegen allen verwirrenden Informationen im Vorfeld.

26 „Birdies“ auf den beiden ersten Runden

Der frischgebackene Vize-Europameister Simon Lizotte feierte auf dem Gurten, dem Berner Hausberg, einen ungefĂ€hrdeten Start-Ziel-Sieg. „Die erste Runde mit Benjamin Schneider und Jac Haegler hat Riesenspaß gemacht. Ich habe gleich mit neun Birdies angefangen. Der Benji war das ja schon gewohnt, aber der Jac hat ganz schön gekuckt. Allein in den beiden ersten Runden habe ich 26 Birdies gespielt“, erzĂ€hlte Simon nach seinem ĂŒberragenden Triumpf, „die erste Runde mit 43 WĂŒrfen war vom Rating her die beste, die ich in meinem Leben gespielt habe: 1076.“

Simon Lizotte: „Ich bin ein Schönwetterspieler“

Der Kurs habe ihm gut gefallen, sagt der Deutsche Meister und zweimalige GermanTour-Sieger. Und was, bitte, genau? „Ich bin ein Schönwetterspieler“, lacht Simon, „wir hatten 25 Grad, bestes Wetter und beste Bedingungen fĂŒr Disc Golf. Außerdem konnte ich fast alle Bahnen mit einem Hyzer spielen. Und bei Bahnen von 110 oder 120 Meter LĂ€nge lege ich die Scheibe bis auf fĂŒnf oder zehn Meter an den Korb ran.“ Die Putts aus dieser Distanz stellen fĂŒr ihn keine außergewöhnliche Herausforderung dar. Simon: „98 Prozent aus dieser Entfernung sind drin.“ Und da der Werder-Fan auch die Putts aus grĂ¶ĂŸerer Entfernung reinmachte, hatte Jac Haegler in der ersten Runde noch weitere viermal Grund zu staunen. Simon: „Ich habe in Bern wirklich gut geputtet. Ein perfektes Wochenende.“ Christine Hellstern (Oberkirch), die bei den Damen das Finale nur knapp verpasste, bestĂ€tigt: „Der Junge ist wirklich unglaublich. Es macht einfach Riesenspaß, ihm zuzusehen.“

Unglaublich in der Tat: in allen drei Runden, das Finale eingeschlossen, lieferte Simon Lizotte auf dem 2 132 Meter langen Par 56-Kurs mit Runden von 43, 44 und 46 das beste Ergebnis. Mit 155 WĂŒrfen lag er am Ende 41 unter Par. Lediglich in der dritten Runde und im Finale konnte Markus KĂ€llström mithalten. Und auch das nur, weil Simon am Sonntag „ein bisschen wacklig“ begann, ehe er wieder eine Serie von acht Birdies startete. Doch bereits am Samstag hatte KĂ€llström zehn WĂŒrfe auf den Shooting Star der deutschen Disc Golf-Szene eingebĂŒĂŸt.

„Entjungferung“ auf dem Gurten – Simons Ass auf Bahn sieben

Bereits am Freitag im Training sorgte Simon fĂŒr GesprĂ€chsstoff. Denn es gelang ihm als erstem Spieler, auf der bis dahin unbezwungenen 90 Meter langen Bahn sieben, genannt „Jungfrau“, ein Ass zu spielen. Offenbar ein gutes Omen fĂŒr das anschließende Turnier.

Frank Hellstern „sehr zufrieden“ – Lothar Henseler Sechster

Frank Hellstern, der mit seiner Frau Christine bereits 2002 auf dem Gurten das „Golden Leaf“-Turnier gespielt hatte, war mit seiner Leistung „sehr zufrieden“. Am Sonntag spielte sich der Oberkircher mit einer 54 (zwei unter Par) unter die besten zehn Open-Spieler der dritten Runde. „Nicht zufrieden“ war dagegen Christine Hellstern, die das Finale der besten vier Damen nur um einen Wurf verfehlte. „Aber die Schweizerinnen sind richtig gut“, anerkannte sie die Leistung von Jocelyn Leu (4.), Karin Rubin (3.) und vor allem von Natalie Holloköi, die in der Schlussrunde mit einer tollen 57 die hochfavorisierte Schwedin Angelica Frantz ĂŒberholte und den Spitzenplatz auch im Finale verteidigte. Holloköi ist damit in der EuroTour als Vierte der Gesamtwertung beste Nicht-Schwedin.

Lothar Henseler aus Giengen/Brenz schlug sich bei den Grandmastern mit Runden von 62 und zweimal 64 wacker und wurde Sechster.

EuroTour-Gesamtsieg fĂŒr Paul Francz und Adrien Pontieux

Der Schweizer Paul Francz verteidigte bei den Grandmastern mit seinem vierten Saisonsieg seinen Titel. Bei den Advanced gewann der Franzose Adrien Pontieux die Gesamtwertung der EuroTour. Pontieux war wie Francz in seiner Kategorie bei den Bern Open ungefÀhrdet. Bei den Masters war auf dem Gurten der Schweizer Andreas Gertsch erfolgreich. Kari Vesala aus Finnland stand bei den Masters schon vor dem Turnier als Gesamtsieger der EuroTour ebenso fest wie die Schwedinnen Birgitta Lagerholm und Camilla Jernberg (beide 600 Punkte).

Sylvain Gouge: Der Musketier aus Dijon feiert seinen grĂ¶ĂŸten Triumpf

Er könnte aus dem Roman von Alexandre Dumas „Die drei Musketiere“ entsprungen sein. Und betrachtet man seine Nase unter den Gesichtspunkten der Psycho-Physiognomik, wird dem kundigen Beobachter schnell klar: dieser Mann hat Power, Dynamik und enorme Willenskraft.

Und deshalb vergoldete Sylvain Gouge am Wochenende auf dem Gurten eine erfolgreiche Saison mit dem Gewinn der EuroTour in der Open-Klasse. Dem 33jĂ€hrigen Franzosen reichte dazu ein dritter Platz hinter Simon Lizotte und Markus KĂ€llström, um Ex-Europameister Ville Piippo, der wegen Verletzung beim Saisonfinale fehlte, von der Spitze der Gesamtwertung zu verdrĂ€ngen. Auch Markus KĂ€llström blieb nur das Nachsehen. Dabei hatte der Schwede vor vier Wochen noch wie der designierte Nachfolger seines Landsmanns Jesper Lundmark ausgesehen, der die EuroTour 2009 gewann und vor fĂŒnf Wochen in Pas-de-Calais Europameister wurde.

Doch Sylvain Gouge katapultierte sich mit Turniersiegen in Maillen/Belgien und Berlin vor dem Saisonfinale in der Schweiz in die Pole Position. Der Franzose profitierte bei den Turnieren unmittelbar vor und nach der EM von der Abwesenheit vieler europĂ€ischer Top-Spieler, vor allem der favorisierten Schweden. Allerdings zahlte Gouge fĂŒr seine Erfolge in der EuroTour auch einen hohen Preis: Bei der EM im eigenen Land enttĂ€uschte der Mann aus Dijon. Statt, wie von seinen Landsleuten erhofft, im Konzert der besten EuropĂ€er um den Titel mitzuspielen, landete er auf dem 23. Platz, mit 27 WĂŒrfen RĂŒckstand (!) auf Jesper Lundmark.

Doch die EM hat Gouge abgehakt, sie ist passĂ©. Entrollt die „tricolore“ und singt ihm vom „jour de gloire“, der gekommen sei! Und vielleicht hat ein gewitzter französischer Disc Golf-Fan ja die Idee, ihn in der Internet-EnzyklopĂ€die Wikipedia auf die Liste mit den berĂŒhmtesten Persönlichkeiten Dijons zu setzen: neben den Scharfrichter Louis Deibler, den Ingenieur Gustave Eiffel und die burgundischen Herzöge Karl der KĂŒhne und Johann Ohnefurcht. Vielleicht als Sylvain, lanceur de disques. Sylvain der Scheibenwerfer…

Ergebnisse hier.

Bild: swissdiscgolf.ch
Redaktion: Matthias Masel