Wolfgang Kraus gewinnt Bronze
Hellstern, Faber und Seipenbusch werden Vierte
Die ersten eigenen Masters-Europameisterschaften im Discgolf sind zu Ende. Aus deutscher Sicht war die Reise ins ungarische Szarvas ein großer Erfolg für die DGA: Teilnahme in sechs von sieben Divisionen – zehn von 13 Teilnehmer*innen meistern den Cut – sechs von zehn Endrundenteilnehmer*innen landen in den Top Ten – drei vierte Plätze – eine Bronzemedaille für Wolfgang Kraus (Trebur). Diese starke Teamleistung konnte im Vorfeld der Euro in Szarvas niemand vom deutschen Team erwarten. Vielleicht haben die größten Optimist*innen sie erhofft. Alle 13 Aktiven in Szarvas können stolz auf ihre Teamleistung sein – die Discgolf-Fans aus und in Deutschland sind es.
Natürlich hat nicht jede Spielerin und jeder Spieler aus dem DGA-Aufgebot erreicht, was sie sich persönlich für sich erhofft hatten. Doch einmal Rang drei, drei Mal Rang vier, einmal Rang sieben und einmal Rang ist eine außergewöhnlich gute Top-Ten-Bilanz – sechs von 13 ganz vorn dabei. Aber auch die weiteren Platzierungen sind ein Grund zur Freude. Einmal Zwölfter, zwei Mal Platz 13. und je einmal die Ränge 15, 16, 19 und 21.
Spannung bis zum vorletzten Wurf
Schon in der dritten Runde hat Wolfgang Kraus, er trat in Ungarn in der MP 60 an, es spannend gemacht. Im Finale toppte er diesen Nervenkitzel. Der Hesse spielte mit dem späteren Europameister Hans Tegebäck und dem Vize Carlos A. Rio gemeinsam im Leadingflight die Schlussrunde in Szarvas. Direkt vor ihnen spielten die drei Konkurrenten von Kraus. Alle drei, die Finnen Jari Niskanen und Juha Pohjalainen sowie der Brite Derek Robins, hatten mit zwei bis sechs Würfen Rückstand noch die realistische Chance den Deutschen einzuholen und ihm den Treppchenplatz streitig zu machen. Zumal Wolfgang Kraus in der dritten Runde gemeinsam im Flight mit Jari Niskanen erst auf den beiden letzten Bahnen durch zwei Birdies den Gleichstand mit ihm rausholte. Juha Pohjalainen und Derek Robins hingegen machten am Freitag auf Kraus (und Niskanen) zwei Würfe gut.
Der Sportdirektor der DGA hatte in der ersten Runde am Mittwoch ein 64 gespielt, in der zweiten Runde das Ergebnis mit einer 61 getoppt und am Freitag im direkten Wettbewerb mit den Finnen „nur“ eine 68er Runde geschafft. Im Finale benötigte der Treburer dann sogar 70 Würfe, was aber trotzdem reichte. Platz drei ermöglichte Wolfgang Kraus an Bahn 16. Am Vortag hatte er ein Bogey gespielt und im Finale gelang ihm ein Birdie. Alles gelaufen oder doch nicht? Kraus stand an der Inselbahn, die er zuvor einmal Par und zwei Mal Birdie gespielt hatte, und warf die Scheibe links in einen Baum. Die Annäherung und der Putt saßen, aber durch das Bogey, war Rang drei wieder akut gefährdet. Dann waren Nerven gefragt, denn seine standen noch immer am Tee der 18, als der Leadingflight auflief. Wasser holen – in den Wald pinkeln – nachdenken und . . . dann den eigenen Konkurrenten beim Drive zuschauen, war angesagt. Tatsächlich brauchten auch der Brite, nur einen Wurf hinter Kraus, und die beiden Finnen, beide nur zwei Würfe hinter dem Deutschen, sehr lange, um dann alle gemeinsam die Bahn Par zu spielen. Sollte dies Wolfgang Kraus auch schaffen, wäre er sein sportliches Ziel bei der EM erreicht.
Als letzter Spieler des MP 60 stand Wolfgang Kraus auf Tee 18. Er hatte es nun ganz allein in der Hand und zeigte keine Nerven. Der Drive landete mitten im Durchlass, den man auch als ein durch Bäume begrenztes Törchen (siehe Bild unten mit Christine Hellstern auf dem Tee der 18) bezeichnen könnte. Kein OB – der erste Schritt auf das Treppchen war gemacht. Den zweiten Wurf auf der 205 Meter langen Par-Fünf-Bahn legte sich der Deutsche links vor die Bäume und das Gebüsch, die den „Blind Basket“ verdeckten. Nun kam der praktisch alles entscheidende Wurf. Ging er ins OB, war Kraus praktisch raus. Legte der Hesse die Scheibe in Puttdistanz, blieben ihm zwei Würfe, um den dritten und endgültigen Schritt auf das Siegertreppchen bei der Europameisterschaft 2023 zu machen. Wolfgang Kraus warf einen hohen Hyzer (so von Oliver Möllemann an fast gleicher Position am Vortag im Bild zu sehen ist), der einen langen Putt ermöglichte. Doch Krause legte die Scheibe lieber an die Korbstange und ließ sie im fünften „Wurf“ zum Par und dem Gewinn der Bronzemedaille locker aus der Hand in den Korb gleiten.
„Ein wahnsinniges Gefühl“
Das kühle Bier und bei fast 40 Grad im Schatten strahlte Wolfgang Kraus im Kreis der deutschen Mitspieler*innen die nicht mehr auf dem Parcours unterwegs sein mussten mit einem frisch gezapften Bier in der Hand: „Ich fasse es noch immer nicht. Seit Monaten habe ich darauf hingearbeitet. Ich habe einfach immer weiter gemacht – auch bei Rückschlägen. Man muss daran glauben und ich habe daran geglaubt! Es hat sogar Spaß gemacht. Ein lang gehegter Traum, für den ich wirklich viel trainiert habe, ging in dieser Woche hier in Ungarn in Erfüllung – dritter Platz bei der Europameisterschaft 2023. Ein wahnsinniges Gefühl!“
Christine Hellstern bremst sich aus
Christine Hellstern hatte in der Division FP 50 in der dritten Runde Platz drei erobert. Diesen wollte sie im Finale natürlich verteidigen. Dies würde nicht einfach sein, da ihr die Estin Heidi Talumaa – mit nur einem Wurf mehr als Hellstern – direkt im Nacken saß. Auch die Schweizerin Karin Rubin hatte noch gute Chancen, denn sie lag nur drei Würfe hinter der Deutschen.
Vor dem ersten Turnierwurf und nach den Trainingsrunden hatte die Baden-Württembergerin deutlich gemacht, was auf dem Kurs nicht passieren darf: „Zeigt man Nerven, könnte der eine oder andere Wurf hier schnell daneben gehen.“ Offensichtlich passierte der Deutschen genau dies. Schon an Bahn eins, sie spielt als Einzige ein Bogey, verlor sie den Vorsprung auf die Estin. Als Hellstern an Bahn zwei einen Doppelbogey fabrizierte, rutschte sie auf Rang vier ab und war zudem schon wurfgleich mit der Schweizerin, denn sie und die Estin spielten die ersten drei Bahnen Par.
Auf Bahn vier spielte der gesamte Flight Bogeys, doch nur Christine Hellstern eine sechs – damit lag sie allein am Ende des Flights. Trotz eines Birdies auf der 14, den aber auch Karin Rubin spielte und die nicht nur wegen dieser Bahn sich verdient den dritten Platz sicherte, war für die Deutsche das Treppchen weg. Den vierten Platz erreichte Christine Hellstern mit fremder Hilfe. Heidi Talumaa patze an der Bahn 18 und spielte eine acht, womit Hellstern zwei Würfe aufholte und auf der letzten Bahn zurück auf den geteilten Platz hochstieg.
Antonia Faber überspielt das eigene Rating um 35 Punkte
Die für die Hyzernauts Potsdam spielende Brandenburgerin Antonia Faber lieferte in der Division FP 40 einen extrem souveränen Auftritt in Szarvas ab. Ihr eigenes Rating überspielte sie um 35 Punkte!. 910 Ratingpunkte für nur 69 Würfe am Mittwoch und am Freitag und 924 Punkte für 67 Würfe in Runde zwei am Donnerstag. Im Finale am Samstag drehte Antonia Faber voll auf und lieferte mit einer 65er Runde, die mit 939 Punkten bewertet wurde, gemeinsam mit Ralf Hüpper (MP 40) sogar das viertbeste Ergebnis der in den Finalrunden stehenden zehn Deutschen ab. Zugleich spielte sie im Finale mit vier Birdies und nur zwei Bahn über Par so stark, dass sie zum Ende der Runde auf vier Bahnen ihrer Schweizer Konkurrentin Natalie Holloköi drei Würfe abnahm und noch mit ihr auf Platz vier bei der Euro 2023 gleichzog. Zudem durfte sich die Brandenburgerin darüber freuen, die Finalrunde gewonnen zu haben.
Lucca Seipenbusch fährt Platzierungs-Achterbahn
Der „Scheibensucher“ aus Wartenberg Rohrbach in Rheinland-Pfalz, Lucca Seipenbusch, startete mit einer soliden Par-Runde (65 Würfe) in die Euro der Altersklasse MP 50. Dies brachte ihm Platz acht am Mittwoch ein. Obwohl er auch am Donnerstag eine 65-Runde spielte, war dies zu wenig, denn die Konkurrenten spielten besser, so dass der Deutsche auf den 12 Platz abrutschte. Am Freitag führte Seipenbusch die Platzierungs-Achterbahn wieder hinauf, denn durch seine Runde mit drei unter Par (62) ging er als Siebter in die Finalrunde am Samstag. In der toppte Lucca Seipenbusch seine in Ungarn gezeigte Leistung und spielte sich mit einer 61er Finalrunde hoch auf Platz vier! Stolz sein darf der Rheinland-Pfälzer auch darauf, dass er – allerdings gemeinsam mit den beiden Schweden Johan Ålund (Bronzemedaillengewinner) und Åke Wallbäcks (Sechster) das niedrigste Rundenergebnis spielte und damit den Tagessieg einfuhr.
Starker Auftritt von Nathali Palencia Martin
Für die Hessin Nathali Palencia Martin, sie spielte in Ungarn in der Klasse FP 40, war die EDGMC 2023 vielleicht etwas zu kurz. Bei einer noch ein oder zwei Tage längeren Euro hätte sie es vermutlich auf das Treppchen geschafft, denn Palencia Martin steigerte sich von Runde zu Runde. Nach einer 75er Runde (+9) mit dreizehn Punkten unter ihrem aktuellen Rating von 873 zum Auftakt legte sie am Donnerstag eine Schippe drauf und benötige einen Wurf weniger als am Vortag. In der letzten Vorrunde am Freitag waren es nur noch 72 Würfe, womit sie 13 Punkte über ihrem Rating spielte. Im Final drehte die Scheibensucherin richtig auf und spielte eine 68 Runde. Für das viertbeste Ergebnis in der Finalrunde ihrer Division wurde sie mit 913 Punkten, 40 (!) über ihrem bisherigen Ratingstand bewertet. „Die Hitze war sehr anstrengend, aber ich bin immer besser geworden. Natürlich bin ich sehr zufrieden, schließlich bin ich zum ersten Mal dabei. Wenn ich eine solche Chance noch einmal bekommen, dann nutze ich sie natürlich“, freute sich Nathali Palencia Martin.
Werner Riebesel ist unnötig unzufrieden
Werner Riebesel aus dem bayrischen Friedberg bei Augsburg wurde in Szarvas Achter in der Ü 55-Division. Nach der Finalrunde, in der er sich gegenüber der Vorschlussrunde um drei Würfe in einer 64er Runde verbesserte, trotzdem aber einen Platz verlor und insgesamt Achter wurde, tat Werner Riebesel nach außen zufrieden, was er eigentlich auch sein konnte. Doch man merkte ihm an, dass er sich zumindest ein wenig mehr versprochen hatte. „Ich habe wohl gespielt, was ich konnte. Doch vom Gefühl her, wäre etwas mehr für mich möglich gewesen“, räumte der Bayer ein.
In der gleichen Klasse, der MP 55, hatte der Berliner Oliver Möllemann am Mittwoch einen fulminanten Auftakt hingezaubert. Er spielte eine mit 976 Punkten gewertete 61er Runde, womit er sein Rating um 19 Punkte übertraf. So ging es am Donnerstag auch weiter. Wieder benötigte Möllemann für die ersten sieben Bahnen 22 Würfe, war also sogar auf Treppchenkurs, als das Missgeschick ihn aus der Bahn warf. Der Berliner knickte auf Bahn acht um, konnte zwar weiterspielen, war aber biss zum Turnierende durch die Bänderdehnung im linke Fuß gehandikapt. Trotzdem erreichte er am Freitag noch hauchdünn die Finalrunde, in der er aber sein erhofftes Comeback nicht feiern konnte. Er rutschte sogar um einen Platz nach unten und würde Zwölfter.
Schmerzen im Wurfarm behindern Martin Dörken
Nicht wirklich rund lief es bei der Euro für Martin Dörken (MP 50), der sich vermutlich bei den Trainingsrunden eine Muskelverletzung im Wurfarm zugezogen hatte, denn ab der Auftaktrunde spielte der Berliner mit Schmerzen. Er benötigte am Mittwoch 67 Würfe (Rating: 950), am Donnerstag nur 62 (982) und am Freitag 65 (961). Hauchdünn blieb er unter seinem 965er Rating, war aber im Finale dabei. Doch in der vierten runde gelang Dörken nur ein einziges Birdie, so dass er durch die 68er Runde (931) sogar wieder Plätze verlor. Am Ende steht für den Spieler der Hyzernauts Potsdam Platz 13 in den Sportgeschichtsbüchern.
Solide Finalrunden von Ralf Hüpper und Jörg Eberts
Jeweils als letztes in der Nachmittagshitze, die aber durch den Wald erträglich sei, wie der Kölner Ralf Hüpper erklärte, gingen die Ü 40-Männer auf ihre Runden. Die beiden Deutschen im 46-köpfigen Feld, Jörg Eberts und Ralf Hüpper, spielten jeweils drei zufrieden stellende und eine etwas schwächere Runde. Schon in der ersten Runde, als Eberts und Hüpper im gleichen Flight antraten, wurden die internen „Machtverhältnisse“ geklärt – Jörg Eberts rangierte knapp vor Ralf Hüpper. Über die vier Runden betrachtet blieb Eberts zehn Punkte unter seinem Rating (980). Es war mit insgesamt 250 Würfen in drei Vorrunden und der Endrunde zwar das beste Ergebnis aller Deutschen in Ungarn, aber reichtefür Jörg Eberts in der MP 40 trotzdem nur zu Rang 13. Drei Plätze hinter dem Mecklenburg-Vorpommerner kam mit insgesamt vier Würfen in vier Runden mehr auf dem Konto der Rheinländer Ralf Hüpper ins Ziel. Der 16. der Euro spielte das Turnier sechs Punkte unter seinem 978er Rating.
Der Endstand für die deutschen Teilnehmer*innen nach dem Finale
Finale | Div. | Platz in der Division | Anzahl der Würfe | zu Par | Anzahl der Würfe | zu Par | Bahnen unter Par | Par | Bahnen über Par |
Jörg Eberts | MP 40 | 13. | 250 | -10 | 62 | -3 | 6 | 9 | 3 |
Lucca Seipenbusch | MP 50 | 4. | 253 | -7 | 61 | -4 | 7 | 8 | 3 |
Ralf Hüpper | MP 40 | 16. | 254 | -6 | 65 | 0 | 3 | 12 | 3 |
Werner Riebesel | MP 55 | 8. | 256 | -8 | 64 | -2 | 6 | 9 | 3 |
Oliver Möllemann | MP 55 | 12. | 262 | -2 | 66 | 0 | 5 | 9 | 4 |
Martin Dörken | MP 50 | 13. | 262 | +2 | 68 | +3 | 1 | 13 | 4 |
Wolfgang Kraus | MP 60 | 3. | 263 | -1 | 70 | +4 | 3 | 11 | 4 |
Antonia Faber | FP 40 | 4. | 263 | +5 | 65 | -1 | 4 | 11 | 3 |
Nathali Palencia Martin | FP 40 | 7. | 272 | +25 | 68 | +2 | 2 | 12 | 4 |
Christine Hellstern | FP 50 | 4. | 296 | +22 | 82 | +11 | 1 | 7 | 10 |
Alexander Müller | MP 55 | 15. | 198 | -1 | |||||
Sascha Goldmann | MP 50 | 21. | 214 | +19 | |||||
Daniela Host | FP 40 | 19. | 232 | +34 |