30.7.2013 | dr. delay. Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: The Invisible String, die abendfüllende Frisbee-Dokumentation ist jetzt auch für das Heimkino, sprich auf DVD, erhältlich. Grund genug für dr.delay, das weltumspannende Ereignis filmkritisch zu begleiten. Über Bezugsquellen möge sich der geneigte Leser selbst informieren, da die Verhandlungen, die dr. delay mit amazon und dem Discmania Shop über eine signifikante Beteiligung an den Verkaufs-Erlösen geführt hat an der Uneinsichtigkeit der genannten Unternehmen bezüglich der extrem umsatzfördernden Wirkung einer dr.delay-Filmkritik gescheitert sind.
Zunächst einmal möchte dr.delay, der weit über die Grenzen Hamburg-Othmarschens hinaus bekannte Film-Experte, voranstellen, dass es sich im Folgenden um ein must-see-movie handelt. Allerdings nur aus der Sicht eines Plastikscheiben-Enthusiasten, aber genau mit dieser Schwäche, der ansonsten durchaus unterhaltsamen und anschaulichen Frisbee-Dokumentation, soll sich im Folgenden ein wenig auseinandergesetzt werden.
Was bekommen wir zu sehen?
Eine ordentlich aufgearbeitete Chronologie der Geschichte des Frisbees mit einem Schwerpunkt auf Freestyle und vielen Interviews mit fast allen (noch lebenden) Legenden. Fundstücke aus dem interessanten Teil der Mottenkiste – besonders natürlich hervorzuheben die Bilder der legendären Rose-Bowl-Veranstaltung von 1981 (wenn mich bzw. Herrn Google nicht alles täuscht) in den 70igern. Technisch saubere, unterhaltsame 92 Minuten, mit originellen Animationen.
Was bekommen wir nicht zu sehen?
Zuerst einmal fehlt eine klare Struktur oder zumindest ein durchgängiger roter Faden – bitte nicht die dröge Geschichte über den sympathischen, jedoch eher farblosen japanischen Scheibenkollegen anführen.
Es fehlt aber auch der Spirit, der uns alle mit dem runden Plastik verbindet. Zwar blitzt der erwartete Enthusiasmus bei den Interviewten auf, aber dass allein dürfte dem ordinären Frisbee-Werfer nicht reichen. Würde ein Film über Rock´n Roll begeistern, in welchem die Geschichte überwiegend von gealterten Helden erzählt wird? Nee, wir wollen auch ein bisschen zeitgenössische Action.
Die meisten hätten sich zudem auch eine bessere Gewichtung der tatsächlichen Frisbee-Verhältnisse gewünscht. Der aus ideellen Gründen Mannschaftssport ablehnende Verfasser dieser Zeilen findet es toll und anerkennenswert, dass Ultimate die drittgrößte Uni-Sportart in unseren Gefilden ist und im amerikanischen Sprachgebrauch so normal wie Discgolf erscheint. Mehr Ultimate und mehr Discgolf wäre nicht nur fair, es wäre auch angemessen gewesen.
Stattdessen bleibt Freestyle des Coolen Krönung. Aber nicht nur die Zeiten, in denen dr.delay seine Bikini-Figur dieser oft hoch-athletischen Disziplin widmete sind vorbei, auch die glitzernden Shows, die bis weit in die 80iger hinein stattfanden, sind ein Relikt der Vergangenheit – auch wenn es rund 50 Recken hierzulande gibt, die sich sogar zum Zwecke der Austragung einer DM treffen. Freestyle ist und bleibt eine lässige Randerscheinung. Da reißt auch der mittlerweile etwas stämmig gewordene Jens Valesquez nix mehr raus.
Und auch die Animationen hinterlassen zumindest beim geübten Cineasten einen etwas faden Beigeschmack, Sie erinnern einfach viel zu sehr an die legendären Terry-Gilliam’schen Monty-Python-Trickfilmchen.
Letztlich schockt die Musik nicht gerade, wobei dies einfach das typische Problem eines Independant-Filmes ist, bei welchen das Geld für teure Musikrechte fehlt. Insofern bleibt dieser Punkt bewertungshalber unberücksichtigt.
Zusammengefasst: Der Spirit erscheint, aber fadet unbemerkt, ungefähr in Minute 58 wieder aus und taucht auch nicht wieder auf. Eine klare Linie, eben der Invisible String, hätte durch den Film führen müssen. Zudem hätte Ultimate (heute) mehr Raum verdient, ebenso wie die wachsende Randsportart Disc Golf; dr.delay steht bereit, sich auf Grund dieser Äußerung seiner erwarteten Einladung als Chefberichterstatter der nächsten Ultimate-DM zu stellen, Groupies inklusive.
Was hätte „TIS“ werden sollen?
Eine Doku, die sich auch die Langweiligen anschauen, d. h. die, die eben nicht mit Plastik hin und her werfen. So verpufft das gut recherchierte Material und wird sehr wahrscheinlich nie außerhalb der Szene zu sehen sein. Dass ist schade.
Auch Fanzines sind prima und erfüllen ihren Zweck. Aber wollte Jan nicht mehr?
Warum trotzdem ein Muss?
Jeder, der regelmäßig das unsichtbare Band spannt, wird auf seine Kosten kommen. Der Film ist unterhaltsam, sehenswert – einfach: gut, aber eben nur aus der vereinfachten Sicht des Homo Frisbeesapiens. Dass reicht den Lesern hier und dem simpel gestrickten dr.delay, aber eben nicht den Spiegel, Brigitte und TAZ-Lesern.
Kauft also die DVD, so wie es dr.delay sicherlich auch tun wird, schon der Bilder wegen und des Herzblutes, das geflossen ist. Schon um die Frisbee-Filmemacher Jan Bäss, Michael Osterhoff und vor allen Dingen Gregor Marter, die sich für das Buch verantwortlich zeichnen, auf diesem Weg zu supporten. Hier geht es auch um Solidarität unter uns Plastikwerfern.
Alle anderen werden leider nur schwer zu begeistern sein. dr.delay gibt daher nur 3/5 Sterne – für Fans gibt’s einen halben Stern mehr.