18.10.2010 | Ewald Tkocz. Monis Strand-Bistro ist längst dicht. Und auch im „Leckermäulchen“ stehen die Stühle auf den Tischen. Die Besitzer und Mitarbeiter des Restaurants freuen sich schon auf die nächsten Urlauber. An Ostern 2011. An der Promenade in Kellenhusen herrscht Endzeit-Stimmung. Auf dem Parcours am Ostsee-Strand wurde am Wochenende die Disc Golf Saison 2010 beendet. Bei dem mit 3 000 Euro bislang höchstdotierten GT-Turnier in Deutschland fielen die letzten Entscheidungen.
Simon Lizotte gewann das A-Turnier bei den Open und zum drittenmal hintereinander die GermanTour. Susann Fischer aus Potsdam und Dominik Stampfer dominierten den Wettbewerb bei den Damen bzw. Junioren. Beide gewannen das „Double“, die Deutsche Meisterschaft und die Tour. Dominik feierte als bester Spieler des Turniers sogar den größten Erfolg seiner noch jungen Karriere.
Und die „Siamesischen Zwillinge“ aus Ulm, Volker Meyer und Martin Fohlert? Der Erfolg trennte sie. Volker gewann die GermanTour bei den Masters mit lächerlichen 8,93 Punkten Vorsprung. Oder drei Würfen bei einem von Wetterkapriolen geprägten Turnier. Wie gut, dass sie es auf der gemeinsamen Heimfahrt noch nicht wussten…
George Braun gewann die 4. Kellenhusen Open bei den Masters vor Christoph Ladendorf, Volker Meyer und Michael Voglmeyer und damit sein fünftes GT-Turnier in diesem Jahr. Nicht einmal zehn Punkte fehlten dem Berliner, der, auch wegen seines Engagements bei der EuroTour, nur sechs GT-Turniere in diesem Jahr spielte, zum Gesamtsieg.
Windchaos, Regen, Kälte, Graupelschauer am ersten Tag
Ruth ging diesmal nicht mit auf die Runde mit Klaus. Und wer die Kattwinkels kennt, die im nächsten Jahr Silberhochzeit feiern, kann erahnen, was da im Freien los gewesen sein muss. Wie gut, dass das Zelt, in dem sie sich unter einem Heizstrahler wärmte, von sechs Tonnen schweren Befestigungen gehalten wurde.
Die Wetter-Fuzzies hatten sich, wieder einmal, mit ihren Voraussagen gnadenlos verzockt. Morgens um neun, pünktlich zum Tee-Off, war die Welt in Kellenhusen nicht mehr in Ordnung. Der Himmel öffnete seine Schleusen, die Kälte kroch bald durch die vielen Kleidungsschichten, mit denen sich die Spieler schützten, und der Wind frischte mehr und mehr auf. „Windstärke sechs im Mittel, sieben bis acht in den Böen“, analysierte später der „Hamburger Jung“, Andreas Wegener, der das Turnier bei den Grandmastern überlegen vor Heiko Behrens und Uwe Sendatzki gewann.
Das „Scheibenfrollein“ in Runde eins: Vier Stunden „Survival Camp“
„Ich war noch nie so nah dran aufzugeben“, sagte Klaus Kattwinkel nach dem ersten Tag. Und er war nicht der einzige, der mit diesem Gedanken zu kämpfen hatte. Das „Scheibenfrollein“, die zusammen mit „ParOle“ die Daheimgebliebenen über das Geschehen im Blog informierte, sprach später von einem vier Stunden dauernden „Survival Camp“. Die Einheimischen sahen dies naturgemäß anders. „Es war nur ein büsch’n mehr Wind als sonst“, sagte Heiko Behrens, Präsident des Ostsee Discgolf-Clubs Kellenhusen.
Doch das „büsch’n mehr Wind“ stellte die Nicht-Einheimischen, nicht gewohnt, alle Würfe mit „dicken Brettern“ (Andreas Thöne) zu erledigen, vor enorme Probleme. „Mit dem Driver abwerfen, annähern und putten, das macht einfach keinen Spaß. Das hat mit dem Disc Golf, das ich spiele, nichts zu tun“, grummelte Martin Fohlert nach der ersten Runde. Wie er fanden sich auch Klaus Kattwinkel und andere gute Spieler in der Ergebnisliste nach den ersten beiden Runden an Positionen wieder, die ihnen üblicherweise fremd sind.
Christian Plaue: „So etwas habe ich noch nie gesehen“
„Ich habe heute Würfe und Flugkurven gesehen, so etwas habe ich noch nie gesehen“, erzählte Christian Plaue am Samstag beim Grillabend. Von Hartl Wahrmann und seinen beiden Drives an jener Bahn zum Beispiel, bei der der Korb hinter einem eingewachsenen Steinhaufen steht. Hartl: „Ich nehme eine superstabile Scheibe, lasse sie extrem hängen. Sie kippt im Gegenwind und – wupp, wupp, wupp! – wie im Lift steigt sie in Sekundenbruchteilen bis auf die Wipfelhöhe der Pappeln. Ich denke schon – oje o.b.! – da streift die Scheibe den Baum, fällt herunter, safe!“
Noch verrückter der Annäherungswurf des Ex-Weltmeisters: „Ich nehme eine superstabile Midrange-Scheibe. Wieder kippt sie in die entgegengesetzte Richtung, steigt, überfliegt die Düne und den Strand in Richtung Meer. Plötzlich bleibt sie, etwa zwei Sekunden lang, in der Luft stehen, kehrt um und landet schließlich sechs Meter vom Korb entfernt.“ Dass der Lünener diesen Putt zum Par anschließend versemmelte, trug er mit Fassung: „Das wäre des Glücks auch zu viel gewesen.“
Christian Plaue: Mit stabilen Scheiben zur Führung am ersten Tag
Eine Runde unter Par gelingt an diesem Vormittag niemandem. Der 15jährige Kevin Konsorr, Sieger des B-Turniers in Lünen, kommt in der ersten Runde am besten zurecht, spielt eine 64. Hartmut Wahrmann und Christian Plaue benötigen einen Wurf mehr. „Hartl in WM-Form?“, necke ich ihn am Abend. „Ach, hör auf, schreib‘ lieber waterproof“, antwortet er. Mit einem Neopren-Anzug drunter trotzt der Ex-Weltmeister allen Elementen. Am Ende des ersten Tags führt Christian Plaue (128), der in der zweiten Runde eine 63 spielt, vor Wahrmann (131), Konsorr und Stampfer (beide 132). Vize-Europameister Simon Lizotte folgt, wurfgleich mit George Braun (136), erst auf Rang fünf. „Ich bin deshalb vorn, weil ich stabilere Scheiben als Simon in der Tasche habe“, erläutert der Grebensteiner, „aber ich muss mit einem deutlichen Vorsprung vor ihm ins Finale kommen, sonst wird das nix.“ Er sollte Recht behalten.
2. Tag: Der „Goldene Oktober“ kehrt an die Ostsee zurück
Schlapp hängen die Fahnen am Sonntag Morgen an den Masten. Der Wind? So fromm wie ein Lämmlein. Das angeschwemmte Seegras am Strand ist ausgerichtet wie die Eisenspäne in einem Magnetfeld. In nordwestlicher Richtung. Der „Goldene Oktober“, der die Touristen und 200 Teilnehmer an einem Disc Golf-Workshop mit Andreas Thöne bis Donnerstag mit schönem Wetter verwöhnt hatte, ist zurück. Doch es ist kalt am frühen Morgen. Die Beifahrertür des Wagens ist zugefroren, die Scheiben müssen frei gekratzt werden. Erst am späten Vormittag heizt die Sonne die Luft auf angenehme Temperaturen. Beste Bedingungen. Auch wenn der Wind später ein büsch’n auffrischt.
Simons Aufholjagd auf Christian Plaue am zweiten Tag erfolgreich
In der dritten Runde schlägt die Stunde der unter 18jährigen. Der 17jährige Bremer spielt sich mit einer 54 auf Platz drei (190 Würfe). Dominik Stampfer, ebenfalls 17, übernimmt mit einer 55er-Runde die Führung in der Gesamtwertung (187). Christian Plaue verliert von seinen acht Würfen Vorsprung auf Simon Lizotte sieben und ist Zweiter (189). Und auch dem 17jährigen Marc Mäding (Söhnstetten) gelingt mit 58 Würfen eine Runde unter 60. Nach wie vor glänzend unterwegs: Junior Kevin Konsorr (193) und sein „Lehrmeister“ Hartl Wahrmann (193).
Im Halbfinale erleben die Zuschauer, die die Spieler begleiten, einen spannenden Zweikampf zwischen Simon Lizotte und Christian Plaue um den Siegerscheck in Höhe von 380 Euro mit ständig wechselnder Führung. Der Deutsche Meister spielt auf den neun Bahnen sechs Birdies, kassiert jedoch an der Bahn mit dem Doppel-Mandatory nach einem Drive ins o.b. ein Doppel-Bogey und muss, nachdem sein Abwurf an der „Specht-Bahn“ spechtmäßig am Baum landet, die Führung mit Christian Plaue teilen, mit dem zusammen er am Freitag überlegen den Doubles-Wettbewerb gewonnen hatte.
Dominik Stampfer: Der größte Erfolg in seiner Karriere
Dominik Stampfer, der die hervorragend besetzte Junioren-Konkurrenz mit neun Würfen Vorsprung vor Kevin Konsorr und 15 auf Marc Mäding gewinnt, kommt mit demselben Score wie Simon Lizotte (23) zurück ins Zelt. Der Schüler aus Heidenheim hat zwei Birdies weniger gespielt als der Bremer, aber an den 30 Bahnen des zweiten Tages kein einziges Bogey gespielt. Bereits zu diesem Zeitpunkt steht fest, dass der Deutsche Junioren-Meister das Turnier gewonnen hat. Er ist einfach glücklich und strahlt, findet erst später, mit einigem Abstand, die Sprache wieder: „Das ist, neben der Deutschen Meisterschaft 2009 in Weilheim, wo ich im Finale der besten fünf Open-Spieler gestanden hätte, der größte Erfolg in meiner Karriere.“
Heiko Niedermayer erstmals im Finale eines A-Turniers
Vierter im Top-Flight der Open-Spieler im Halbfinale ist übrigens ein Mann aus dem Odenwald, der erst seit gut drei Jahren Disc Golf spielt: Heiko Niedermayer aus Otzberg. Die Aufregung, erstmals bei einem A-Turnier im Finale zu stehen, sieht man ihm nicht an. „Mir geht die Pumpe und die Hände sind ganz feucht“, gesteht er auf dem Weg zwischen zwei Bahnen. Doch auf sein Spiel hat dies keinen Einfluss. Neun Würfe holt der in Rüsselsheim nur liebevoll „The Boss“ genannte Niedermayer im Halbfinale und Finale auf Hartl Wahrmann auf, der schier an seinem Putt-Spiel verzweifelt und mehrere Chancen zum Birdie oder Par auslässt. Wahrmann: „Das tut richtig weh.“ Doch mit einem Wurf Vorsprung rettet der Lünener, der mit seinen präzisen Abwürfen und Annäherungen glänzt, nach dem Open-Finale Platz drei. Fünfter im Bunde im Finale der besten Open-Spieler ist Sebastian Schmidt. Der Bremer läuft im Halbfinale richtiggehend „heiß“ und verdient sich mit einer 24 Preisgeld und Finalplatz.
Im Open-Finale drehte Simon Lizotte noch einmal richtig auf
Im Finale dreht Simon Lizotte dann noch einmal richtig auf. Mit 28 Würfen distanziert er Christian Plaue (34), Hartmut Wahrmann (37), Heiko Niedermayer (33) und Sebastian Schmidt (38) deutlich. Der beste deutsche Disc Golfer beendet mit seinem letzten Putt eine Saison mit einer beispiellosen Erfolgsserie: Deutscher Meister, GermanTour-Sieger (mit 846,09 von 850 möglichen Punkten!), Vize-Europameister, erstmalig – in Bern – Gewinner eines EuroTour-Turniers.
Erster Tour-Sieg für Susann Fischer aus Potsdam
Last but not least die Damen: Susann Fischers Aufgabe, in der GT-Gesamtwertung einen Rückstand von 80 Punkten auf Tanja Höll aufzuholen, war alles andere als einfach. Doch die Potsdamerin löst diese Hürde mit Bravour, holt 102 Punkte und hat nach drei Runden nur vier Würfe Rückstand auf Frank Brügmann. Alessa Schwarz, Zweite hinter der Deutschen Meisterin, macht auf Susann am zweiten Tag sieben Würfe gut und verweist Josephine Jahn auf Platz drei, die ein fantastisches Finale spielt (28). Vierte wird Astrid Dittmann.
Start zur GermanTour 2011: 4. Dezember in Rüsselsheim
Die Tour 2010 ist tot! Es lebe die Tour 2011! Sie beginnt bereits am 4. Dezember in Rüsselsheim mit dem traditionellen Nikolaus-Turnier. Und einem neuen Wertungssystem für die GermanTour. Startplätze? Stand Montag, 18.10.2010, 18 Uhr: noch einer.
Ergebnisse unter: www.discgolf.de/GT-Ergebnisse
Fotos: https://disc-golf.tumblr.com
Redaktion: Matthias Masel