Für den Heidenheimer Michael Stelzer waren die 2. Discgolf-Europameisterschaften der EDGF vom 16. bis 20. August 2023 in Estland schon die vierten Kontinentalwettkämpfe an denen er teilnahm. Zudem hat „Michi“ seit 2008, als sein Verein Sportclub Albuch (WSCA) in Söhnstetten selbst die Euro ausrichtete ein Einblick in die unter anderem organisatorischen Notwendigkeiten und Hintergründe eines solchen Turniers. Die Veranstalter des Events in Estlands Hauptstadt Tallinn können durchaus stolz auf ihr Werk sein. Der dreifache Deutsche Meister ( 2 x Junioren, Open) und Vizeeuropameister hinter dem Finnen Ville Piippo aus Helsinki, der kommende Woche die Masters-Europameisterschaft in Ungarn spielen wird, Michael Stelzer lobte die EDGC 2023 in höchsten Tönen: „Abgesehen von den Euro Open war das hier das bislang größte und beste Turnier in Europa. Es wird für zukünftige Veranstalter von Europameisterschaften sicherlich nicht einfach, dies hier zu toppen.“
Bahnen verzeihen nichts
Neben der perfekten Gesamtorganisation, die lediglich wegen akustischer Mängel Minuspunkte bei der Eröffnungsfeier bekam, hatte es der sehr anspruchsvolle temporäre von Seppu Palu entworfene Kurs dem Baden-Württemberger angetan: „95 Prozent der Bahnen verzeihen hier nichts. Du kannst Dich auf der Runde nie ausruhen. Vielleicht bei ein oder zwei Bahnen konnte man Mal etwas durchschnaufen.“
Die 18 Bahnen mit insgesamt Par 62 für Männer und deren U 18-Nachwuchs beziehungsweise Par 65 für Frauen und die U 18-Mädchen haben Spiellängen zwischen 259 Meter (Bahn 1) und 99 Meter beziehungsweise 72 Meter für die U 18-Juniorinnen (Bahn 17). Doch selbst die „kurze“ Bahn 17 ist nicht einfach zu spielen, denn vom Tee aus wird bergauf durch eine Allee mit OB rechts und links der Bäume gespielt. Die lange Bahn 1 mit dem spektakulären Abwurf von der Rampe in der riesigen Muschel des Sängerfestival-Geländes (siehe Bild oben) beeindruckt nicht nur Zuschauer*innen sondern auch die Spieler*innen die diese Hürde zum Start in jede Runde nehmen mussten. Michael Stelzer: „Ich bin bei Bahn 1 mit einem blauen Auge davon gekommen. Aber es kann die die ganze Runde schwer machen, wenn es zum Auftakt nicht gelingt.“
„Was hier verlangt wird, können wir in Deutschland nicht trainieren“
Insgesamt zog Michael Stelzer für sich ein rundum positives Ergebnis von der Teilnahme an der EDGC 2023: „Aber es war hier eine mega Erfahrung – ich würde es immer wieder machen!“ Auch war der erfahrendste deutsche Spieler bei der EDGC 2023 sehr zufrieden mit der Vorbereitung und der Betreuung durch die DGA und durch Teamchef Frank Hellstern, der als Präsident des europäischen Discgolf-Verbandes (EDGF) allerdings zahlreiche zusätzliche Aufgaben in Tallinn erfüllen musste, sowie dem Zusammenhalt und Spirit im zehnköpfigen deutschen Teilnehmerteam und die super Unterstützung durch die Caddys und die zweistellige Zahl an mitgereisten Fans.
Allerdings bekräftigte Michael Stelzer etwas, was in ähnlicher Form am Donnerstag schon die deutsche U 18-Spielerin Martje Sumowski geäußert hatte: „
„Was hier auf einigen Bahnen verlangt wird, können wir in Deutschland nicht trainieren. Da fehlen einfach die entsprechenden Anlagen. Auch bei Turnieren mit temporären Kursen oder Bahnen werden uns in Deutschland solche schweren Aufgaben nicht gestellt.“
Bahn sieben ließ Hoffnungen auf Treppchenplatz platzen
Tatsächlich gab es auf dem Kurs in Tallinn einige Bahnen, die Spieler*innen nicht nur kurz- oder mittelfristig aus dem Konzept bringen, sondern sogar das gesamte Turnierergebnis durch ein einzelnes schwaches Ergebnis bei einer Bahn beeinflussten konnten. So eine Bahn war zum Beispiel die Sieben.
Hinter dem links zu umspielenden Mando gab es ein recht breites Fairway, das allerdings nach rechts abschüssig war. Am Ende war eine kleine Insel eingebaut, die im Durchmesser geschätzt fünfzehn oder sechzehn Meter umfasste. Erschwerend kam hinzu, dass am Ende des Fairways und – je nach Wurfposition auch auf dem Flugweg zur Insel – Bäume standen. Ein Par vier, von dem selbst Frank Hellstern im Vorfeld nichts Böses erwartet hatte. Doch bei den insgesamt 632 Durchgängen auf dieser Bahn spielten nicht einmal die Hälfte aller Turnierspieler*innen in den vier Runden der vier Divisionen diese Bahn Par oder schafften gar ein Birdie. Tatsächlich unterspielten nur 9,49 Prozent der Teilnehmer*innen. 34 Männer, 25 männliche Jugendliche und eine Frau (in der ersten Runde gelang dies der Finnin Henna Blomroos, 15. der Weltrangliste).
Bei 8,23 Prozent aller Durchgänge benötigten die Spieler*innen zumindest die doppelte Par-Anzahl, um die Scheibe im Korb unterzubringen. Den Spitzenwert lieferte mit 17 (!) Würfen der Ungar Milan Todorovic in Runde zwei ab. Der Tscheche Jakub Semerád , 47. der Weltrangliste, benötige in der Finalrunde elf Würfe, was ihn vom Treppchen stieß und am Ende nur Zehnter werden ließ. Auch die deutsche Juniorin Martje Sumowski, verlor an Bahn sieben ihre Treppchen-Chancen. Dies allerdings schon am ersten Turniertag, als sie eine zwölf spielte.
Mehr Unterstützung für die DGA ist nötig
Unter dem sportlichen Strich der deutschen Teilnahme an der zweiten Euro unter Regie der EDGF steht aber wohl keine schwarze Zahl sondern eher eine in leichtem Alarmrot. Dies lag weniger an den in Estland angetretenen deutschen Akteur*innen, als an verletzungsbedingten Ausfällen und – wie schon mehrfach in den letzten Tagen betont – an den fehlenden Trainingsmöglichkeiten in Deutschland und auch dem nicht so hohen Anspruch bei den Turnieren daheim und in den angrenzenden Nachbarländern, die aber natürlich auch nicht allein für die Nationalkader ausgerichtet werden können. Die Abteilungsleitung der Discgolfer*innen im Deutschen Frisbeesport-Verband (DFV) arbeitet schon seit Jahren daran, genau diese Defizite auszugleichen. Aber mir sei erlaubt anzumerken, dass die Vereine, die Turnierveranstalter und auch der DFV hier besonders gefordert sind, wenn Deutschland auch im Vergleich mit derzeit gleich aufgestellten Nationalverbänden in Europa nicht ins Hintertreffen gelangen will. Gerade auch bei den noch „kleinen“ Discgolfnationen wird gut gearbeitet. Das Ziel der Deutschen sollte nicht sein Finnland oder auch Estland einzuholen, sondern deren beiden Verbände und ihr Handeln als Vorbild zu nehmen, um dann zumindest den aktuellen Platz in Europa und der Welt zu halten.
Mithelfen dabei wird sicherlich auch der gebürtige Bremer Simon Lizotte. Der Siebte der vergangenen Europameisterschaft gewann parallel zur Europameisterschaft das Turnier Great Lakes Open in Milford in Michigan. Neben dem gebürtigen Deutschen waren knapp 70 Amerikaner und drei Kanadier am Start. Lizotte spiele in der letzten Runde eine -10, so dass er mit drei Würfen Vorsprung auf den 3. der Weltrangliste, Eagle McMahon, das Turnier für sich entschied.
Allerdings lebt der Discgolf-Profi Simon Lizotte dauerhaft in den USA, weshalb von oder durch ihn für das deutsche Discgolf keine direkte Hilfe erhofft werden darf. Seine Aufgabe in Deutschland liegt eher im Bereich Promotion für den Discgolf-Sport. Mehr wäre seine Teilnahme in Tallinn für das deutsche Discgolf auch nicht gewesen.