von Oliver Schacht
Eindrücke vor der Fahrt nach Eningen
Mit der online-Schalte der offiziellen web-site der diesjährigen Deutschen Meisterschaft ahnten viele, die – wie ich – nur einen blassen Schimmer über den riesigen Umfang der Vorbereitungen hatten, daß der Discgolfclub Achalm keine gewöhnliche Deutsche Meisterschaft aus den Qualitätsstufen „0815“, „Normalo“ oder „deja vu“ für uns, die Teilnehmer, und die Öffentlichkeit erschaffen würde.
Vielmehr gewann man zum frühen Zeitpunkt aus dem professionell gestalteten online-Auftritt sowie der dialogorientierten Präsenz für alle facebooker den Eindruck wie planvoll, umfangreich und zielgruppen- und medienorientiert (Teilnehmer, Sponsoren, Helfer, Zuschauer) die Hauptorganisatoren Brüder Mossig und Pepe Traub und ihr Team die Unternehmung umsetzten.
Auf welcher DM wurde der neugierige Besucher je zuvor mit so vielen Sponsoren im Vorfeld überrascht? Und wo gab es so viele Vorankündigungen in vielfältigen Medien (Zeitungen, Mercedes Onlinemagazin, 10.000 Werbeflyer, etc)?
Weiter verfestigte sich der sehr gute erste Eindruck als die Anmeldephase eröffnet wurde. Hier wurde vollkommen transparent und gemäß der DFV-Richtlinien die Vergabe der qualifizierten und nachrückenden Anmelder dokumentiert. Jeder zukünftige Teilnehmer konnte hier tagesaktuell nachvollziehen, ob er/sie einen Startplatz erhalten hat oder wie nah er/sie von einer Teilnahme (noch) entfernt ist.
Selbst dann, wenn der Startplatz gesichert war, zeigte sich die web-site in einem Punkt bis eine Woche vor dem Player-Meeting auskunftsarm: die Bahnenpläne wurden erst eine Woche zuvor tage- und häppchenweise grafisch und (zusätzlich auf facebook) per Quadrocopter aufgenommene Videos veröffentlicht. Auch hier scheuten die Achalmer Macher den beträchtlichen Zusatzaufwand, wie er bei US-amerikanischen Dokustandards großer Turniere betrieben wird, nicht. Respekt! Für die Teilnehmer ist hier ein maximales Optimum erreicht worden, sich aus der Ferne auf die kommenden 21 Herausforderungen einzustimmen.
Erste Eindrücke nach der Ankunft
Mit der Anreise am Mittwoch ergaben sich bereits weit vor dem Eninger Ortsschild in den durchfahrenen Ortschaften viele Hinweise auf etwas wirklich Großes und vor allem eine real werdende Großveranstaltung. Plakate und Aushänge in verschiedensten Formaten wiesen jeden Leser nur in eine Richtung im Zeitraum vom 30.9. bis 3.10.: die Eninger Weide Und in Eningen waren die Ankündigungen auch auf großformatigen Leinwänden an verkehrsträchtigen Knotenpunkten zu bewundern.
Die erste Möglichkeit zum Besuch des Parcours nahm ich am Donnerstag wahr. Die Anfahrt auf der beständig ansteigenden Albstraße wurde auf dreiviertel der Strecke jäh unterbrochen: Eine Schafherde wurde entlang der Fahrstraße und schließlich bergab entlang eines Feldweges talwärts geführt. Mangels Ortskenntnis dachte ich mir dazu nichts.
Erst einen Tag später stellte sich anschaulich wie riechbar heraus, daß die Schafherde direkt vom oberen Areal des DM-Parcours kam und bereits vor über einer Woche den Almabtrieb hätte vollziehen sollen. Gesetzliche Vorgaben zur Erfüllung einer Mindestbeweidungsdauer standen dieser Vereinbarung jedoch entgegen.
Auf der Eninger Weide angekommen fielen die vielen hundert Meter Flatterband für die Absperrung des Publikumsparkplatzes auf. Die umfasste Fläche war noch größer als erwartet und es schien mir überdimensioniert zu sein. Es sollte sich spätestens am Sonntag als Irrtum herausstellen!
Der Parcours präsentierte sich sehr gut präpariert. Die in den Bahnengrafiken angegebenen Höhenunterschiede und Weiten entsprachen der Wirklichkeit, zumindest waren keine deutlich wahrnehmbaren Abweichungen feststellen. Der insgesamt empfundene Schwierigkeitsgrad zum Ende der Runde lag im Mittelfeld. Es gab weder übertriebene Härten noch in den Schoss fallende Birdie-Chancen. Lediglich das Par 3 für 130m-Waldbahn Nr.20 hielten die Spieler/Spielerinnen für zu viel zu knapp bemessen. Das Spektrum der Bahnenlängen war für eine deutsche Meisterschaft als passend anzusehen. Die Bahnverläufe kamen allerdings mehrheitlich den mit links werfenden Rückhand (bzw. rechts werfenden Vorhand) spielenden Experten klar entgegen. Warum auch nicht, wenn es doch meist „pro rightie“ liegt? Und noch ein Pluspunkt sollte noch erwähnt werden: Die Verlustrisiken waren sehr gering, weil die Büsche und Gewächse weitgehend gut einsehbar und zugänglich waren.
Eindrücke bei der Anmeldung
Bevor es mich am Freitag erneut auf den Kurs zog, sollten vorab die Anmeldeformalitäten in der HAP-Grieshaber-Halle, wo am selben Abend noch das Players Dinner und das obligatorische Players Meeting stattfinden sollte. Gegen 12.00 Uhr eintreffend fand ich eine Halle vor, die alles andere als überlaufen wirkte. Keine Warteschlange, keine betriebsame Hektik, wenig Händeschütteln. Am Anmeldetisch händigte man mir gut gelaunt ein Players Pack und Infomaterial aus und, vorsichtig geschätzt, mindestens 60% aller Tüten warteten noch auf ihre Übergabe. Anschließend fand ich mich an einem Fotostand ein, wo jeder angemeldete Teilnehmer abgelichtet wurde, womit ich nicht rechnete. Und auch hier standen US-Präsentationsmethoden Pate: Jedes Spielerportrait würde bei der abendlichen Auslosung der Flights projeziert werden und das auf der DM-website abrufbare Spielerprofil verzieren. Und das Foto wird noch einen weiteren Einsatzzweck erfüllen. In der Players Pack-Tüte gab es einen Gutschein für ein personalisiertes Fotobuch, das jeder Teilnehmer im Nachgang zur DM zugeschickt werden wird. Wow! Was mag hier das Motto der Brüder Mossig gewesen sein? Wir halten mehr als wir versprochen haben???
Beeindruckendes Players-Meeting
Nach zweiter Vorbereitungsrunde (und einem Dusch-Stop im Eninger Hof) ging es erneut zur Grieshaber Halle, wo uns der Sponsor Graf Eberhard mit einem leckeren Buffet der kulinarisch variantenreichen Maultaschen verwöhnte. Eine merkwürdige Besonderheit zum limitierten Getränkeangebot: Alkoholfreie Biere hatten sich ein Hausverbot eingefangen. Das war keine irrtümliche Ausnahme, sondern sollte sich später im Festzelt am Kurs als Regel herausstellen.
Ein gut genährtes Spielerpublikum lauschte dann der ersten Ansprache des Players Meeting, das Uwe Mossig pünktlich um 19.00 Uhr eröffnete.
Eine einzige genannte Zahl in seiner Rede beschäftigte mich gedanklich noch so lange, daß ich die Kurzfassung der Disc Golf -Historie in Eningen von Bürgermeister Alexander Schweizer und seine Wünsche für eine gelungene Veranstaltung, viel Freude und Erfolg nur beiläufig wahrnahm: Uwe sprach von sage und schreibe 111 (einhundertelf!!!) Helfern, die die DM durch ihren Einsatz verwirklichen. Noch während Dr. Volker Schlechter, DFV-Präsident, sich als wenig erfahren im Disc Golf offenbarte und den Organisatoren seinen Respekt zollte, kam ich noch immer nicht aus dem ungläubigen Staunen heraus. 111 Helfer bei 120 Teilnehmern??? Wie gelang es so viele Freiwillige zu mobilisieren? Ich rätselte…
Schließlich übernahm Markus Mossig das Ruder für die mit Spannung erwartete Auslosung der Flights. Dazu wurden die amtierenden deutschen (Vize-)Meister, Kevin Konsorr, Timo Hartmann, Wolfgang Kraus, Klaus Kattwinkel, Maike Janiesch, Peter Hennecke als Ziehungsteam auf das Podium gebeten.
Nacheinander zogen die Auserkorenen aus jeweils nach Ratinggruppen gebildeten Pools einen Namen, dessen Konterfeit auf eine über dem Podium hängende Leinwand projiziert wurde, bis jeweils ein 4er-Flight vollständig war.
Zeitweise mußte Markus die (überwiegend männlichen) Glücksfeen (gibt es eigentlich ein männliches „Fee“-Pendant?) einbremsen, weil die Anzeige des zugehörigen Fotos seine Zeit benötigte. Zum Teil wurden ermittelte Flights mit Applaus bedacht, weil viele Zuschauer die ermittelten Flightmitglieder als „passend zueinander“ erachteten.
Nach diesem Highlight kam der letzte Pflichtteil der Veranstaltung: der Vorstellung des Parcours und der zu beachtenden Besonderheiten mancher Bahn.
Da die Bahnen von den meisten vorab dank Vorabveröffentlichung bekannt sein sollten, rechnete ich mit einem schnellen Ablauf. Allerdings kamen bei der ein oder anderen Bahn noch Fragen zu Unklarheiten oder Details auf, selbst eine Regelfrage (erneutes Mando-Passieren bei Rückläufern) mußte klargestellt werden.
Auch leisteten die Videos wieder gute Dienste, obgleich sie insgesamt einen nicht unerheblichen Anteil am gesamten Zeitbedarf hatten.
Als auch dieser Part gelaufen war, strebten die allermeisten zielstrebig ihren Unterkünften entgegen. Morgen sollte es rund gehen und eine lange Runde werden….
Der Wettbewerb
Für den sportlichen Turnierverlauf sei auf die bereits veröffentlichten Turnierberichte „32. Deutsche Disc Golf Meisterschaft – Eningen unter Achalm“ von David Strott und „dr. delay“ hingewiesen.
Vielfältiges Rahmenprogramm für Besucher (und Teilnehmer)
Was diese DM neben den vielen 111 freundlichen Helfern/Helferinnen so besonders und erfolgreich machte, waren die vielfältigen Angebote für Besucher aktiv das Scheibenwerfen (oder das Gestalten von Scheiben) ausprobieren zu können.
Am Samstag fanden sich rund 500 Neugierige auf der weithin bekannten Eninger Weide ein, und am Sonntag sollten es knapp 1500 (!!!) gewesen sein, was sich am prall gefüllten Zuschauerparkplatz für die Wettbewerber mit Blick von den Bahnen 16 und 17 zeigte.
Für die vielen Besucher gab es einen eigens aufgebauten Disc-Golf-Parcours für Mini-Scheiben zu bespielen, oder Putter-Scheiben auf Zielwände oder drei bewegliche Körbe zu werfen.
Korbwandwerfen – liebevoll gezeichnete Körbe mit den Trefferzonen (Foto: Martin Anders)
Es hätte auch Double Disc Court (DDC) auf einem abgesteckten Spielfeld paarweise gespielt werden können, wenn es nicht eine im wahrsten Sinn überragende Attraktion in direkter Nachbarschaft gegeben hätte: Die Feuerwehr stellte einen Leiterwagen zur Verfügung, um vom „Fairway from heaven“ Teilnehmer auf 16 Meter Höhe im Leiterkorb hochzufahren. Von dort galt es mit 5 Scheiben in einen Korb auf den Boden zu werfen. Diese Scheiben waren Prototypen des Kunststoff verarbeitenden Automobilzulieferers Elring-Klinger, eigens für die DM designt und produziert durch deren Disc Golf begeisterten Auszubildenden.
Pepe Traub ließ es sich auch nicht nehmen, den Fairway from heaven zu bespielen (Foto: Silke Beck)
Dies glückte leider keinem Besucher, sondern zu seiner eigenen Überraschung einem Wettbewerber, nämlich Klaus-Peter Dützmann, der einen mobilen Metallkorb als Gewinn nach Niedersachsen mitnehmen durfte.
Zusätzlich gab es Vorführungen von den angereisten Freestyle-Weltmeistern Alexander Leist, Florian Hess und Christian Lamred, die über ihre Künste dem Publikum ihr Fingerspitzengefühl für ihre Scheiben demonstrierten.
Zusätzlich nutzten viele junge Besucher, nämlich Kinder und Jugendliche aus den umliegenden Schulen, einen extra bereit gestellten Bus-Shuttle-Service, um die verschiedenen Angebote auszuprobieren und sich idealerweise für unseren Sport zu begeistern. So konnten sie z.B. auch ihre Wurfgeschwindigkeit messen lassen. Überall war eine lockere, heitere Stimmung bei den Aktiven festzustellen. Hier konnte sich jeder nicht so alltäglichen Spielen hingeben und auf Wunsch seine Ergebnisse der verschiedenen Stationen auf einem Ergebniszettel festhalten.
Staunende Zuschauer beim Beobachten der „langen Demo-Dinger“ auf der Driving Range (Foto: Martin Anders)
Markus Mossig zeigte mir zum Abschied eine email von einem Familienvater, der nach Besuch der Events mit seinen beiden Sprösslingen um einen Aufnahmeantrag für den DGCA bat. Gibt es eine bessere Genugtuung für einen Organisator?
Die Siegerehrung
Nach Ende der Finalrunde, die übrigens im Open- und Damen-Flight per Video festgehalten wurden, überbrückten wir uns die Zeit für die Vorbereitungen zur Siegerehrung mit vielen Gesprächen, Ausprobieren der Aktionsstände oder versorgten uns kulinarisch beim Caterer „Graf Eberhard“.
Die Deutschen Meister und die Zweit- und Drittplatzierten wurden mit eleganten Trophäen und stetem Applaus geehrt.
Zwar wurde der einzige Ass-Schütze Sebastian Pilger (Bahn 4) übersehen, aber sehr viel wichtiger war die Vergabe des Spirit-Preises, wozu alle Teilnehmer Wahlvorschläge abgegeben konnten. Erst mit der Preisvergabe wurde mir bekannt, wie 111 Helfer überhaupt zusammen kommen konnten. Der Preis ging an einen befreundeten Club von Bobbycar-Enthusiasten, die sich zahlreich als Helfer gerne zur Verfügung stellten. In der Vergangenheit waren Mitglieder des DG-Clubs Achalm ebenfalls als Helfer für eine Veranstaltung des Bobbycar-Club tätig.
Der Hauptapplaus zusammen mit „standing ovations“ gehörte mehr als verdient letztlich dem Organisationsteam des Discgolfclub Achalm. Die erbrachte Gesamtleistung über einen Zeitraum von 2 Jahren ist aller Hochachtung wert.
Meinerseits bin ich froh und dankbar gegenüber dem Discgolf-Club Achalm an dieser DM als Teilnehmer dabei gewesen sein zu dürfen.
Abschließend kündigte Susann Fischer offiziell die DM 2018 als Twin-Site-Turnier im Potsdamer Volkspark und Schlosspark Marquardt, organisiert durch die Hyzernauts, vom 4.10. bis 7.10.2018 an. Selbst noch etwas überwältigt vom Umfang und der überaus gelungenen Realisierung der zu Ende gehenden DM in Eningen stellte Susann eine DM in Aussicht, die nicht so groß sein kann und will, aber ihre eigene attraktive Handschrift der Hyzernauts tragen wird.
Darüber wird sich die Teilnehmer der DM 2018 freuen dürfen…
Fazit
Die Eninger Deutsche Meisterschaft hat neue Maßstäbe gesetzt, an denen sich künftige Veranstalter nur auf freiwilliger Basis messen dürfen, jedoch nicht müssen, wenn die Ressourcen beschränkter sind.
Diese Deutsche Meisterschaft zeigte neue Lösungen auf (vielfältige Aktiv-Angebote für das Publikum, Transportangebote für Schulklassen, Helfer-Kooperation mit befreundetem Verein)
Eine DM, deren Parcours mit Augenmaß designt wurde und Linkshändern öfters als sonst fröhlich stimmte.
Überaus eindrucksvolles Beispiel, was Begeisterung, Zusammenhalt und Durchhaltevermögen eines großartigen Disc Golf-Vereins hervorbringen können.